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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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mich auszuziehen. Ich fühlte tatsächlich etwas wie die zitternde Freude der ersten Liebe einer Jungfrau, wenn auch glücklicherweise nicht die dumme Unwissenheit einer solchen.
    Dann lagen wir uns in den Armen, und wenn auch die Dauer und die sinnliche Intensität der künstlerischen Leistung nicht mehr übernatürlich gefördert wurde, so war doch das Wesen der Erfahrung, zurückgeführt auf die Begegnung von Lingam und Joni, völlig dasselbe.
    Zuerst versuchten wir, uns gegenseitig mit Freude zu überwältigen, und da dieser Liebeswettstreit nun unter gleichen Bedingungen stattfand, gewann Pater endlich einmal die Oberhand; doch die Folge dieser fast lustigen Ouvertüre war dieselbe wie früher – wir schritten zur nächsten Stellung weiter, in der die Dualität von gebender und nehmender Freude in der Erfahrung der Freude selbst unterging, und zwei Geister erreichten einen einzigen Höhepunkt.
    Vraiment, einmal war es nur ein einziger Höhepunkt, und einmal spürten wir beide kein Verlangen, mehr zu versuchen und mehr anzubieten. Das soll nicht heißen, daß wir völlig befriedigt waren; vielmehr erkannten wir mit der Weisheit unseres Fleisches, daß man im Tantra wie in jeder anderen Kunst eine perfekte Miniatur nicht zerstört, indem man sie zu einem Werk epischer Dimension aufbläst.
    »Es scheint mir, daß dein Geist der einer Liebenden ist, die solche Kräfte überleben kann«, sagte Pater schließlich, als wir uns im Dunkeln zusammenkuschelten. »Ich selbst würde darauf nicht vertrauen. Wer, frage ich mich, ist der wahre Gypsy und wer der wahre Joker?«
    »Wir beide«, sagte ich, seltsam zufrieden, im Arm des Mannes zu liegen, der am Morgen davonziehen würde.
    »Ich werde fort sein, wenn du erwachst«, sagte Pater, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Wir wollen lieber jetzt auf Wiedersehen sagen als an einem tränenerfüllten Morgen. Ich werde einen Flicken aus deinem Tuch schneiden, bevor ich fahre, und ich werde dir ein Stück von meinem lassen, das du in deine Schärpe nähen kannst, so daß wir jeder ein Stück vom Karma des anderen im Gewebe unseres Schicksals tragen.«
    Gerührt küßte ich ihn auf die Wange. »Laß mir noch etwas«, bat ich ihn. »Moussa ist der Kindername, den meine Eltern mir gaben im Gedenken an die Wesen, die vor langer Zeit eine unschuldige Kindheit beschützten. Gib mir einen Eigennamen für das wandernde Kind des Glücks, und ich werde dir versprechen, ihn erst anzunehmen, wenn ich seiner würdig bin, was heißen soll, bis ich meine erste Münze als Geschichtenerzähler verdient habe. Danach werde ich der Name sein, den du mir gegeben hast, bis wir uns wieder begegnen oder für immer, was zuerst kommt.«
    »Einen Namen für die Geschichtenerzählerin, die du eines Tages sein wirst…?« sagte Pater nachdenklich. »Bien, ich taufe dich Sunshine, das Licht der Welt und Luzifers Tochter, ein Stern unter vielen und allen gleich, und die heilige Siegelmarke der Kinder des Glücks im Raumfahrenden Zeitalter.«
    »Sunshine…«, murmelte ich verschlafen. »Das scheint mir ein ziemlich ausgefallener Name zu sein.«
    »Sollte ich dir einen weniger strahlenden Namen geben? Sunshine wirst du sein, wenn du bereit bist, in der Dunkelheit zu leuchten.«
    Dies waren die letzten Worte dieser Nacht, an die ich mich erinnern kann, wenn es auch zweifellos weniger zusammenhängende Beteuerungen gab, die in diesem hypnotischen Dunkel, in den verlorenen Erinnerungen des kommenden Schlafes mit seinen Wolken untergingen.
    Und wie er gesagt hatte, war der König der Gypsies und der Prinz der Joker aus meiner Welt verschwunden, als ich erwachte.

 
   11
     
     
    Unsere spontane, allgemeine Reaktion am Morgen von Pater Pans Abreise war es, einen tapferen Versuch zu machen, den Geist des Stammes weiterleben zu lassen, sowohl im Gedenken an seine Legende als auch aus einem gewissen verdrehten Wunsch nach Rechtfertigung in seinen Augen, der auch einen gewissen Anteil psychischer Rache enthielt. Soll heißen, wir entwickelten im nachhinein die Auffassung, daß unser vermißter Beschützer und Patron niemals wirklich bei einem der Unternehmen gearbeitet hatte, die wir aufgebaut hatten – nur als dilettantischer Gründer und Förderer. Waren wir selbst nicht die wahren Kinder des Glücks, vraiment, waren wir nicht die Gypsy Joker? Gewiß konnten wir doch den Geist und den Betrieb des Karnevals allein aufrechterhalten!
    Naturellement, selbst wenn ich damals darüber nachdachte, verstand ich nur zu

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