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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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gut, daß die Wunde, die der Verlust Paters in unserem Geist geschlagen hatte, bewußt so gesetzt war, daß sie genau diese Reaktion hervorrufen sollte. Und ich konnte nicht die Berechtigung der Herausforderung bestreiten. Wenn wir unfähig waren, ohne Pater Pan Gypsy Joker zu sein, wie konnten wir uns dann mit ihm ernsthaft für Gypsy Joker halten?
    Und wirklich, ich muß uns zugute halten, daß wir eine Zeitlang unser Unternehmen aus eigener Kraft am Leben hielten. Geschichtenerzähler, Händler und Schausteller zogen wie zuvor hinaus, die Zelte unseres Lagers lockten nach wie vor Kunden zu tantrischen Darbietungen, Glücksspielen und Unterhaltungen, und Handwerker stellten nach wie vor ihre Waren her.
    Vraiment, es schien, daß Paters Abschied dazu gedient hatte, uns genau die beabsichtigte Lektion zu erteilen. Ob die nächsten Ereignisse ein weiteres Koan waren, das Pater Pan zu unserer weiteren Entwicklung vorbereitet hatte, oder ob es ein Fehler in seinem Szenario war, ist auch im Rückblick schwer zu sagen, denn es hing mit der eigenartigen Vieldeutigkeit der Rechtsphilosophie der Edojin zusammen.
    Wie ich schon sagte, war die Errichtung von Camps der Kinder des Glücks auf Edoku verboten; zumindest so verboten wie Gewalt oder Raub. Soweit wir wußten, war das Lager der Gypsy Joker die einzige Ausnahme von dieser Regel, und es war uns schleierhaft, wie Pater Pan die Edojin bewegt hatte, es uns zu gewähren, ebenso wie wir nicht die Mittel kannten, mit denen die Edojin ihrem Unbehagen gegenüber möglichen Lagern anderer Stämme Ausdruck verliehen.
    Wenn ich in dieser Erzählung die Regierungsform und die Ordnungskräfte des großen Edoku bisher noch nicht beschrieb, ja sie nicht einmal erwähnte, so geschah dies nicht aus Nachlässigkeit oder Bequemlichkeit. Aus der Perspektive eines Kindes des Glücks existierten Regierung und Beamte einfach nicht, denn niemand konnte je einen solchen Menschen oder seine Anordnungen offen sehen. Die Herstellung der öffentlichen Ordnung geschah einfach; das Aufspüren und die Bestrafung von Gaunern und Taschendieben durch improvisierte Gerichte, was Pater Pan in ein lohnendes Unternehmen verwandelt hatte, schien das allgemeine Modell dafür zu sein, wie das Staatswesen Edokus mit Verbrechern umging.
    Wie geschickt Pater Pan mit seiner Politik das Lager der Gypsy Joker an das soziale System der Politik Edokus angepaßt hatte, wurde erst klar, als nach seiner Abreise die Dinge zerfielen.
    Binnen einer Woche nach der Mardi-Gras-Parade begann der Handel im Lager, alles andere als bereichert durch den Mythos dieses Ereignisses, sichtlich niederzugehen. Am deutlichsten sahen wir es an den Produkten der Handwerker, die plötzlich nicht mehr begehrt waren. Sogar Alis Schmuck bettelte an seinem Stand im Lager zu reduzierten Preisen um Kundschaft, und bald schien es mir sinnlos, zu versuchen, ihn in den Straßen und Parks zu verkaufen.
    Die Qualität des Schmucks und die Kunstfertigkeit der Herstellung bestanden weiterhin, doch leider waren solche Merkmale noch nie die Grundlage der Beliebtheit unserer Erzeugnisse gewesen. Eher waren sie symbolische Unterpfänder der geschätzten Seltsamkeit und des romantischen Geistes der Kinder des Glücks, und man gab das Ruegelt her als Akt der liebevollen Erinnerung an das eigene Wanderjahr.
    Vielleicht war Pater zu geschickt gewesen, denn sein eigener Mythos war ein wichtiges Verkaufsargument gewesen, und als dieser Mythos aus der Öffentlichkeit verschwand, verlor auch unsere Absonderlichkeit ihren Reiz; wir wurden als zerlumpte Gören betrachtet, und unser Schmuck, einst gelobte Gegenstände im Kult unseres Geistes, wurde nun von den Edojin als billiger Ramsch betrachtet.
    Es dauerte nicht lange, bis wir unsere tantrischen Bilder vor leeren Zelten spielten; selbst jene, die die Zuschauer zur Teilnahme aufforderten, verloren ihre Kundschaft. Nachdem der Geist der Kinder des Glücks einmal seinen Wert als stilistische Eigenart verloren hatte, war das Kind des Glücks auch kein Gegenstand erotischer Phantasien mehr. Und auf Edoku, wo jede Laune der Phantasie sich manifestierte, konnten wir allein auf der Grundlage unserer Kunst kaum gegen die tausendundeine Freude bestehen.
    Und was tantrische Soloauftritte anging, die schließlich meine einzige, allerletzte Einnahmequelle waren – nun, eine Nacht in einem Zelt, in der Illusion, man sei wieder ein Kind des Glücks, oder ein Abenteuer im Freien aus einer momentanen Laune heraus waren plötzlich

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