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Kind des Glücks

Kind des Glücks

Titel: Kind des Glücks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norman Spinrad
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nicht mehr wu, sondern erschienen wie ästhetische Barbarei.
    Während dieses Niedergangs begriff ich sehr gut die Abneigung der überlegenen Stammesmitglieder, beim Genuß von Eßblöcken von der üblichen Klientel der öffentlichen Bedürfnisanstalten gesehen zu werden! Das einzige unserer Unternehmen, das recht und schlecht weiterlief, war der Verkauf von Imbissen auf Tabletts; selbst die Edojin spürten nicht selten ein Verlangen nach einer Leckerei, und wenn der Geruch einen hungrigen Magen erreichte, gaben sie nicht viel auf ästhetische Erwägungen.
    Deshalb waren unsere Köche bald von Horden verarmter Kameraden und Geliebter umlagert, denn es gab kaum jemand im Lager, der nicht, ähnlich wie ich bei Dani, Anspruch auf die Freundschaft eines Kochs hatte. Wie konnte er müßig dastehen und seine Gewinne machen, indem er seine Leckereien an die Edojin verkaufte, während ich dazu verdammt war, Eßblöcke herunterzuwürgen? Wie konnte ein wahrer Gypsy Joker zusehen, wie ein anderer, im Grunde der ganze Stamm, sich in öffentlichen Bedürfnisanstalten erniedrigte, wenn er die Mittel und die Kunst besaß, seine Stammesmitglieder vor den Eßblöcken zu bewahren?
    Und wirklich, zuerst konnten unsere edlen Kochkünstler unserem Bitten und Betteln nicht widerstehen. Statt ihre Aufmerksamkeit darauf zu richten, ihre Ware für Ruegelt zu verkaufen, erboten sie sich, ihre Gefährten zu speisen, ohne an Gewinn zu denken. Doch leider gab es keine Möglichkeit, die Zutaten für kostenlose Mahlzeiten zu kaufen, wenn die Einnahme von Ruegelt in diesem geschlossenen Wirtschaftssystem ausblieb.
    Schließlich sahen Dani und die anderen Angehörigen seiner Gilde ein, daß jeder weitere Altruismus dieser Art zu ihrem Untergang führen und sie ruinieren würde, und statt ihren Freunden und Geliebten zu sagen, daß sie von Stund an Eßblöcke zu sich nehmen sollten und sich der Empörung zu stellen, schlichen sie sich insgeheim davon, ohne sich der Qual eines förmlichen Abschieds auszusetzen.
    Nun hatten wir Gypsy Joker nur noch das symbolische Vielfarbige Tuch und eine trostlose, leere Zeltstadt, die uns vom gewöhnlichen Leben in den Anstalten unterschieden. Den Fraß, den wir nun zu uns nehmen mußten, war mit der Galle der Schande gewürzt; um einen Vorrat dieser widerwärtigen Nahrung zu ergattern, ohne den Spott der Massen in den Anstalten ertragen zu müssen, entfernten wir unsere Stammesfarben und gingen inkognito.
    Während ich mich einerseits zu Unrecht vom Schicksal bestraft fühlte, für ein Versäumnis, dessen Wesen ich nicht ergründen konnte – nachdem ich genug von diesem Seifenfraß hinuntergeschlungen hatte, konnte ich mich sogar zum Opfer von Pater Pans Bosheit hochstilisieren –, spürte ich auf der anderen Seite genau, daß in all dem ein Satori lag, das solche moralischen Erwartungen transzendierte. Denn während es leicht genug war, sich über die Bosheit des Schicksals zu beklagen – auf welchen Verantwortlichen des Unrechts sollte der wütende Finger zeigen? Auf Pater Pan, der nichts Böses getan hatte außer seinen Geist und seine Geschichte mit uns zu teilen, um es dann uns zu überlassen, die Fackel weiterzutragen? Auf die Edojin, deren größte Schandtat es war, uns nicht mehr interessant und merkwürdig zu finden?
    Vraiment, sobald der Finger sich bewegte und begann, Ziele zu suchen, konnte nur eine Meisterleistung an Ignoranz verhindern, daß er schließlich auf einem selbst zeigte.
    Certainement, wir hatten uns alle viel zu sehr auf Pater Pan verlassen und viel zu wenig auf uns selbst, auf unsere eigene Initiative; als die Köche das Lager verlassen hatten, begriffen alle, die gezwungen waren, von Eßblöcken zu leben, diese Lektion recht gut.
    Für mich war es nicht so sehr eine Lektion in Demut, sondern ein Hinweis auf meinen Mangel an Hybris, soll heißen Chuzpe, denn Pater hatte mir den Namen Sunshine für meine Karriere als Geschichtenerzähler vermacht, er hatte mir zudem Aspekte seiner Geschichte verraten, die im Repertoire anderer nicht vorkamen. Dazu hatte ich den Kern etwa eines Dutzends Erzählungen ganz gut im Kopf, und man hätte denken sollen, daß jemand, der eklige Seifennahrung fressen mußte, in bezug auf Originalität erheblich weniger zimperlich gewesen wäre.
    Doch irgendwie fand ich nie den Mut, auf einer bevölkerten Straße zu stehen und mit der Erzählung zu beginnen. Ich, die den König der Gypsy Joker um hundert Stück Ruegelt geprellt hatte, konnte mich nicht

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