Kinder der Apokalypse
nach dem anderen.
»Das würde nicht viele aufhalten, aber meine Herde fühlt sich dadurch ein wenig sicherer«, sagte er. »Normalerweise lassen wir die Läden offen, um das Licht hereinzulassen. Aber wir haben sie geschlossen, als wir dein Fahrzeug hörten, und jetzt ist es beinahe dunkel. Wir lassen sie bis Sonnenaufgang zu.«
Er führte Logan hinein, wo ihn eine vollkommen andere Welt erwartete.
Er sah sich einem großen Raum mit drei langen Klapptischen und Stühlen in der Mitte gegenüber. Eine Durchreiche, die zu einer kleinen Küche führte, war in die rückwärtige Wand gebrochen worden. Logan konnte Teller mit Essen und Tabletts mit Gläsern erkennen. Eine Tür links neben der Durchreiche führte in einen zweiten größeren Raum dahinter. Links von ihm befanden sich Türen mit den Aufschriften MÄNNER und FRAUEN.
Gesichter wandten sich ihnen zu; sie waren alle müde und alt und umrahmt von weißem Haar. Es gab vielleicht zwei Dutzend, und ihre Besitzer saßen auf langen Bänken, bis auf drei, die Rollstühle benutzten. Alte Augen sahen ihn unsicher an, welke Hände waren auf Tischen verschränkt. Welche Gespräche auch immer stattgefunden hatten, sie waren sofort verstummt. Es war still bis auf das leise Quietschen von Stühlen und das Keuchen schweren Atems.
»Bitte heißt alle unseren Bruder Logan willkommen«, sagte der Prediger.
Es gab ein leises Murmeln. »Hallo, Logan.«
»Willkommen, Logan.« Logan nickte und dachte, dass es in diesem Raum außer ihm wohl niemanden gab, der jünger war als fünfundsiebzig. Er fragte sich, wie sie hierhergefunden hatten – offenbar waren einige von ihnen von sehr weit hergekommen. Aber vielleicht waren auch alle schon viel länger hier, als er dachte.
»Bruder Logan wird heute Abend mit uns essen«, verkündete der Prediger. »Euch fällt vielleicht auf, dass er den schwarzen Stab eines Ritters des Wortes trägt. Er kommt von weit her. Ich hoffe, ihr werdet alle euer Bestes tun, damit er sich in dieser Nacht bei uns sicher und beschützt fühlt, so dass er morgen gut ausgeruht wieder aufbrechen kann.«
Er führte Logan zum Haupttisch und setzte ihn zwischen zwei sehr alte Frauen, die ihn ansahen, als wäre er gerade vom Himmel gefallen. Er lächelte sie an und sah zu, wie der Prediger um den Tisch ging und sich ihm gegenüber niederließ.
»Sprich den Dank für das, was wir haben, Schwester Anne«, forderte er die alte Frau links von Logan auf.
Das Essen wurde aufgetragen, und Logan erlebte eine weitere Überraschung. Das Fleisch kam nicht aus Dosen – Gemüse und Nudeln, Brot und etwas Obst. Der Tee wurde aus Kannen ausgeschenkt, und er fragte nicht, woher sie das Wasser hatten. Er fragte überhaupt nicht, wo etwas herkam. Es hätte sich nicht richtig angefühlt. Er aß und trank einfach, was man ihm gab, und beantwortete die Fragen, die er beantworten konnte. Bei den meisten ging es darum, was er in der Welt draußen gesehen hatte. Er hielt seine Beschreibungen so positiv, wie es ging, sprach nicht von Dämonen und Einst-Menschen und der Zerstörung, die überall stattfand, und von seinem Wissen, dass jetzt noch Schlimmeres bevorstand. Diese Menschen brauchten das an diesem Abend nicht zu hören. Sie hatten sich bereits entschieden, was sie mit dem Rest ihres Lebens anfangen wollten.
»Wie lange sind all diese Leute schon hier?«, fragte er den Prediger schließlich.
»Um die zwanzig Jahre, würde ich sagen. Einige sind hier geboren und aufgewachsen. Die anderen sind gekommen, um bei ihren Verwandten und Freunden zu sein. Sie sind die Ausgestoßenen und Überreste weit verstreuter Familien. Alle jungen Leute sind schon vor langer Zeit gegangen. Die Bombardierungen haben noch mehr weggescheucht. Es war schlimm; es gab viele Raketensilos und Kommandozentren in den Bergen. Jetzt nicht mehr. Aber es wurde auch vieles zerstört, was hier auf dem offenen Land stand. Dann wurde das Grundwasser schlechter. Das war für die meisten das Ende, fast alle sind gestorben. Wir sind die, die blieben. Nun kommt beinahe niemand mehr her. Du bist seit mehr als einem Jahr der Erste.«
Logan nickte. »Ich bin überrascht, dass ihr nicht längst weggezogen seid.«
Der Prediger lachte leise. »Wohin sollten wir gehen? In die Lager? Nicht wir. Wir haben unser ganzes Leben in kleinen Orten wie diesem hier verbracht. Wir sind alle alt. Wir wollen das, was uns vertraut ist, nicht mehr ändern. Wir haben nur noch wenig Zeit, selbst unter den besten Umständen, und wir wollen
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