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Kinder der Apokalypse

Kinder der Apokalypse

Titel: Kinder der Apokalypse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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ging in die Nacht hinaus und schaute nicht mehr zurück.
    * **
    Bei Sonnenaufgang des nächsten Tages fuhr er in die Ausläu fer der Rockies, suchte sich langsam einen Weg nach oben zu den kargen Gipfeln. Es hatte einmal Schnee auf diesen Bergen gegeben, vor langer Zeit, bevor das Wetter sich verändert hatte. Selbst im Sommer war es kalt gewesen, und Spuren des Schnees waren geblieben. Der Winter hatte die Gipfel dann mit einer weichen weißen Decke überzogen, die man hundert Kilometer weit sehen konnte. Man hatte ihm gesagt, das sei ein schöner Anblick gewesen.
    Als er im Gemeindehaus beim Prediger gewesen war, hätte ihn das, was er zwei Tage zuvor getan hatte, beinahe verzehrt, so sehr war er von Selbsthass und der Angst erfüllt gewesen, was wohl aus ihm werden würde. Nicht, dass er so etwas nicht schon früher getan hätte; dieses Mal war auch nicht unbedingt schrecklicher für ihn gewesen als sonst. Seine Stimmung war einfach das Ergebnis von so vielen Lagern und so vielen Begegnungen mit Kindern, die man zu Ungeheuern gemacht hatte. Es war die Wiederholung des Tötens, wie notwendig es auch sein mochte, wie gut gemeint auch immer. Es war das zerschmetternde Gewicht der Zahlen.
    Er führte diese … Er suchte nach dem richtigen Wort, einem verächtlichen Wort … diese Gnadentode nun schon seit beinahe fünfzehn Jahren durch. Wie viele Kinder hatte er in dieser Zeit getötet? Hunderte. Er zwang sich, das Wort laut auszusprechen. Und es waren Kinder gewesen. So viele Kinder hatte er getötet!
    Selbstverständlich waren es nicht wirklich Kinder gewesen. Nicht einmal mehr Menschen. Wenn er sie hinter den Mauern der Sklavenlager erreichte, hatten die Dämonen sie schon verändert. Aber es waren einmal Menschen gewesen, und etwas davon lag noch immer in ihren Augen und Gesichtern, selbst als er sie tötete. O ja, er hatte keine andere Wahl gehabt. Er musste sie umbringen, weil er verstand, was geschah. Dämonen züchteten Dämonen aus menschlichen Kindern.
    Tränen traten ihm in die Augen, und er konnte sie nicht aufhalten. Schon gut, sagte er sich. Du darfst um sie weinen, es tut sonst ohnehin niemand.
    Aber nun weinte er auch um sich. Er weinte darüber, in was er sich verwandelt hatte. Er verstand besser als jeder andere, was mit einem Menschen passieren konnte, wenn er zu viel von diesen Dingen erlebte. Er war vor nicht allzu vielen Jahren aus erster Hand Zeuge geworden. Er hätte es zuvor nicht für möglich gehalten. Er hatte geglaubt, sobald man den Unterschied zwischen richtig und falsch verstand, prägte es sich einem ein. Wie ein Brandmal. Er hatte gedacht, die moralischen Werte entwickelten sich schon früh im Leben und blieben einem erhalten.
    Wie bei so vielen Dingen, hatte ihm Michael auch in dieser Hinsicht etwas anderes beigebracht. Es war eine Lektion, die er nie vergessen würde.
    Er fuhr durch den Morgen, die Sonne nur ein Anflug von Helligkeit über der dichten Wolkenschicht, ihr Licht trüb und bleich, da es durch den Nebel dringen musste, der die unteren Bereiche der Gipfel umgab. Die Temperatur änderte sich leicht, aber es war immer noch warm und trotz des Nebels seltsam trocken. Wenn es so etwas wie trockene Feuchtigkeit gab, dann hier. Er erinnerte sich an einen Ausdruck, den er einmal gehört hatte – sonnige Schauer – und der benutzt worden war, um zu beschreiben, wie helle Sonne durch einen Regen schien. Er fragte sich, wie das wohl wäre.
    Es war karg und leer in den Bergen, und das fand er entmutigend. Um nicht zu viel daran zu denken, sang er ein paar Mal Amazing Grace und wiederholte die Sätze, die ihm am besten gefielen, ließ sich von der Melodie davontragen. Er fühlte sich besser nach diesem Tag, nach dem Abend mit dem Prediger und seiner Herde alter Leute, und er wollte dieses Gefühl festhalten, so lange er konnte. Das Grauen der Lager hatte begonnen sich aufzulösen, wie es solche Grauen immer taten, obwohl er ein ums andere Mal befürchtete, es würde nie geschehen. Der menschliche Geist war erstaunlich widerstandsfähig. Wäre es anders, dann hätte er schon lange den Verstand verloren.
    Die Straße führte zwischen steil aufragenden Felswänden dahin, und er musste das Geländefahrzeug zusätzlich zwischen mächtigen Steinblöcken hindurch und über kleine Gerölllawinen lenken. Mit jedem anderen Gefährt wäre er hier nicht weit gekommen. Aber die Reifen des Lightning und das hochgesetzte Chassis erlaubten es ihm, beinahe überall zu fahren. Die Berge ragten rings

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