Kinder der Apokalypse
und nicht angenehm. Sie war ziemlich sicher, dass sie sich noch in Kalifornien befanden, aber nach allem, was sie wusste, hätte sie auch in Kanada sein können.
»Du sagtest, du würdest einen schnelleren Weg finden, um ans Ziel zu kommen, als wenn wir einen Lastwagen nähmen. Und ich habe dir geglaubt.«
»Das werden wir auch.« Der Schemen schaute diesmal nicht einmal zurück. »Hab Geduld.«
Hab Geduld, dachte Angel gereizt. Sie hatte jetzt beinahe vier Stunden Geduld gehabt, und man sah ja, wohin das führte. Sie hätte vielleicht vertrauensvoller sein sollen, aber sie war nicht so lange am Leben geblieben, indem sie vertraute. Sie glaubte nicht, dass das Geschöpf, dem sie folgte, ihr schaden wollte, aber häufig brauchte es dazu nur gute Absichten, verbunden mit einem schlechten Urteilsvermögen. Sie wusste nicht, was Ailie konnte oder nicht. Eigentlich wusste sie gar nichts über sie. Sie war ein Feenwesen, geschickt von der Herrin, aber sie hatte vielleicht nur eine Lebensspanne von nicht mehr als sechzig Tagen, also konnte ihre Erfahrung nicht viel zählen. Das an sich war schon beunruhigend genug.
Noch schlimmer allerdings waren, körperlich gesehen, die Wunden, die Angel bei dem Kampf mit dem Dämon davongetragen hatte. Die Klauenspuren an ihrem Rücken und an der Schulter brannten wie Feuer, und sie war von Kopf bis Fuß zerschlagen und geprellt. Sie musste sich waschen und ausruhen. Und diese Gelegenheit würde sie offenbar in nächster Zeit nicht bekommen.
Sie trat in den Dreck der Straße, der sie folgten. Was wollte sie hier überhaupt, nicht nur außerhalb der Stadt, sondern weit weg von allem, was sie kannte? Dios mio! Sie suchte nach Elfen? Sie glaubte nicht an Elfen. Nun gut, sie nahm an, dass sie es vielleicht doch tat, denn sie wusste, dass es viele andere Geschöpfe aus dem Feenland gab. Dennoch. Nach Elfen suchen? Sie hätte mit Helen und den Kindern gehen sollen. Sie hätte Ailie sagen sollen, dass das hier nicht ihre Sache war.
Und woher wusste sie so genau, dass Ailie wirklich von der Herrin geschickt worden war? Sie hatte nur Ailies Wort. Sie wusste nicht, was los war, auf welche Art von Spiel sie sich hier eingelassen hatte. Wie konnte sie wissen, was sie denken sollte?
Sie tat es eben einfach. Sie wusste es, weil ihre Instinkte ihr sagten, was sie glauben sollte und was nicht, und das hatte nur wenig mit Vernunft oder Erfahrung zu tun.
Sie seufzte und erkannte, dass sie dumm war. Das meiste, was sie als Ritterin des Wortes tat, verlangte, dass sie ihren Unglauben zurückstellte und etwas akzeptierte, von dem sie zuvor nicht gewusst hatte, dass es überhaupt existierte. Man konnte schließlich auch die Fresser nicht sehen, solange man nicht aus dem Feenvolk stammte oder ein Ritter des Wortes war. Aber es gab sie, sie folgten einem, witterten einen, warteten darauf, dass man sie die finstersten Gefühle übernehmen ließ, bevor diese Empfindungen einen vernichteten. Sie hatte erlebt, wie denen zumute war, die sie nicht sehen konnten. Ihrer Gegenwart nicht bewusst zu sein, hatte diese Leute nicht gerettet. Also konnte sie ebenso gut aufhören zu bezweifeln, dass es Elfen gab. Sie sollte lieber akzeptieren, dass das meiste, was sie dachte, nur die halbe Wahrheit war.
Dennoch.
»Suchen wir nach etwas Bestimmtem?«, fragte sie Ailie mit mühsam beherrschtem Ärger.
Das Feengeschöpf schüttelte den Kopf, und ihr blaues Haar schimmerte im letzten noch verbliebenen Tageslicht. »Es ist nicht mehr weit, Angel.«
Das will ich hoffen, dachte Angel. Sie ging weiter und schwieg mürrisch.
Es war schon beinahe dunkel, als sie ein altes Verwahrlager erreichten. Es stand nahe einer Kreuzung der Straße, der sie gefolgt waren, und besaß einen asphaltierten Zugangsweg, der westlich von der Hauptstraße abzweigte. Die Sonne war hinter die Hügel im Westen gesunken, und der Himmel sah irgendwie falsch aus. Häufig gab es hier wundervolle Sonnenuntergänge, wenngleich nicht an diesem Tag. Die Farben wurden schwächer, aber das war auch alles, was geschah. Angel schaute nach Westen und musste plötzlich wieder an Anaheim und das zerstörte Lager denken, daran, wie die Feuer und der Rauch sich im Dunkeln abgezeichnet hatten, und blickte dann zum Lagerkomplex.
Sie sah solche Einrichtungen nicht zum ersten Mal. Niedrige Wellblechbaracken, die an der Straße begannen und sich in langen Reihen bis zu den Bäumen zogen. Die meisten waren aufgebrochen und geplündert, die Überreste lagen als Haufen
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