Kinder der Dunkelheit
ruinieren Sie mich nicht!“
„Oha, jetzt bin ich sogar wieder der Herr. Na gut, im Angede nken an deine Tochter, du schräger Vogel, dreihundert Euro, keinen Cent mehr.“
Stefano wartete Giannis Antwort gar nicht ab, aber da der nicht weinend zusammenbrach, ahnte Sabine, dass der Preis schon in Ordnung gehen würde. Stefano zückte das Geld und Gianni ve rpackte, zu Sabines Überraschung, ihr neues Messer sogar noch in einem schönen Lederetui, das man am Gürtel befestigen konnte.
Gianni war sichtlich erleichtert, als Stefano sich umdrehte, um den Laden zu verlassen. „Leben Sie wohl, Herr, ich danke Ihnen vielmals.“
Stefano nickte ihm kurz zu. „Schon gut. Bist du sicher, dass du nichts mehr willst?“
Gianni bejahte. „Es ist gut so, wie es jetzt ist, ich sorge noch für die Grabstätte – wenn ich sterbe, wird sie verfallen, aber das ist der Lauf der Dinge.“
„Hm, vielleicht ja auch nicht. Bis demnächst, Gianni.“
Sabine folgte ihm rasch hinaus in die mehr oder weniger frische Luft. „Wer war das denn? Und warum hast du ihn gefragt, ob er nicht mehr will? Er schien doch mit der Summe zufrieden zu sein?“
Der spöttische Blick, der sie daraufhin traf, machte sie nur noch neugieriger. „Ja, schon gut, ich erzähl’s dir ja. Die kleine Kröte habe ich das erste Mal getroffen, als er zweiundzwanzig und gerade frisch verheiratet war. Er war damals schon ein Dieb und Fälscher – aber ein guter, ich habe exzellente Stücke von ihm in meiner Sammlung. Ein Jahr später bekam seine Frau ein Baby, eine kleine Tochter. Das Kind war etwas Besonderes, bildhübsch, lieb und – was mich bei dem Vater verwunderte – klug. Als sie fünf Jahre alt war, hatte sie einen beinahe tödlichen Unfall. Ich habe – nur ihretwegen – ihr Leben gerettet, ihre schlimmsten Wunden geheilt. Doch sie war ihr Leben lang auf Hilfe angewiesen. Daher habe ich dafür gesorgt, dass er so lange lebt, bis sie stirbt. Jetzt zufrieden?“
Sabine schluckte mehrmals, um den Knoten im Hals zu b ezwingen. „Dann bist du ja gar kein ...“
„Gefühlloses Monster? Nicht immer, bei Kindern bin ich es nicht. Sie sind unschuldig und haben noch nichts Böses an sich. Ansonsten mag es schon zutreffen, aber das ist mir denkbar egal.“
„Wann war das denn? Das mit der Kleinen?“
„Im Sommer 1924. Sie ist vor acht Jahren gestorben. Ich war auf ihrer Beerdigung.“
Jetzt war sie verwirrt. „Ich dachte, du warst seit mehreren Jah rzehnten nicht mehr in Venedig?“
„Falsch, ich war nur nicht bei Raffaele und Luca, und sie haben es auch nie erfahren. Ich kann unsichtbar sein, wenn ich will, weißt du? So und jetzt genug mit dem Gesäusel. Du hast jetzt eine Waffe und kannst dich im Notfall verteidigen, was du bitte auch tun wirst. Das war mir wichtig. Trag sie bei dir und nutze sie.“
Ehe Sabine wusste, was geschehen war, standen sie wieder in einer belebteren Gegend und hatten das heruntergekommene Viertel hinter sich gelassen. „Wie sind wir hierhergekommen?“
„Schnell!“
Sie wusste, wann es zwecklos war, ihn etwas zu fragen, daher schwieg sie. Ihr Magen schwieg leider nicht. Inzwischen knurrte er so laut, dass Stefano es nicht mehr ignorieren konnte. „Ich sehe schon, du brauchst etwas zwischen die Zähne.“
„Hm, wäre gar nicht übel, mir hängt der Magen in der Kniekehle, um ehrlich zu sein“, gab sie kleinlaut zu.
„Los, komm mit. Ich weiß da was.“
Nachdem er für sie irgendwo am Hafen an einer Spelunke, die zwischen zwei Hallen versteckt war, durch ein Fenster eine Pizza zum Mitnehmen geordert hatte, griff er nach ihrer Hand und zog sie in Windeseile durch zwei Straßen und zu einer alten Kirche. Dort drückte er kommentarlos die verschlossene Pforte auf, ging auf eine seitlich liegende Treppe zu und lief mitsamt ihrer Pizzaschachtel den Glockenturm hinauf.
„Stefano, das dürfen wir doch nicht! Komm da wieder runter!“ Ängstlich sah Sabine sich in der kleinen Kirche um, doch es war kein Mensch zu sehen.
„Du kommst jetzt hier rauf, natürlich ist das verboten, so what? Glaubst du, ich komme in die Hölle, wenn sie uns erwischen? Komm jetzt!“, schallte es von oben herab.
Seufzend kletterte Sabine die enge Stiege hoch in den Turm. Stefano war auf den Sims gesprungen und sah hinunter.
„Hast du Höhenangst?“
„Nein, ich denke nicht.“
„Probier es aus.“
Langsam näherte sie sich der Brüstung und dann blieb ihr schier die Luft weg. Der Blick, der sich ihr bot, war so atemb
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