Kinder der Dunkelheit
eraubend, dass sie in schweigendem Staunen verharrte. Von hier aus konnte man über die ganze nächtliche Lagune bis hinaus zum Meer schauen, zumindest wusste sie, dass es dort begann. Es war einfach faszinierend.
„Setz dich!“ Stefano ließ sich auf der Brüstung nieder und wies ihr den Platz an seiner rechten Seite zu. Mit Widerspruch schien er nie zu rechnen.
Sabine setzte sich neben ihn auf die Brüstung und er hielt ihr das Päckchen mit ihrem Abendessen hin. Hungrig wickelte sie es aus und der Duft von Kräutern und frischen Pilzen ließ sie schier ohnmächtig werden.
„Mann, ist das lecker. Woher weißt du, was ich mag?“, presste sie zwischen zwei großen Bissen hervor.
„Intuition.“
„Aha.“
Stefanos Blick hatte sich im weiten Rund der Lagune verloren und so aß sie schweigend und voller Genuss ihr Abendessen und musste sich eingestehen, dass das wahrscheinlich eine der besten Pizzen war, die sie in ihrem Leben bisher gekostet hatte.
Stefano zog aus den Tiefen seiner Manteltasche eine Flasche Rotwein und entkorkte sie fachmännisch mit dem Korkenzieher an seinem Taschenmesser. Die Flasche reichte er Sabine. „Der erste Schluck gebührt dir, du bist die Dame des Hauses.“ Da sie zögerte, fügte er hinzu: „Der Wein ist der beste, den du hier b ekommen kannst, glaub mir, und wenn du ihn nicht versuchst, wirst du es auf ewig bereuen.“
„Na, das wollen wir doch nicht riskieren, oder?“ Entschlossen griff sie nach der Flasche, setzte sie an den Mund und nahm zwei große Schlucke. Wieder hatte er recht! Der Wein war edel, nicht zu herb, nicht zu süß, einfach perfekt. Verdammt, was konnte der Kerl eigentlich nicht? Sie beunruhigte lediglich, dass auch er kurz darauf große Schlucke aus der Flasche nahm, denn noch immer waberte die Erinnerung an Angels Beschreibung, was Alkohol mit ihnen machte, durch ihren Kopf. Doch sie zwang sich, zu schweigen und war wild entschlossen, dieses Abenteuer einfach zu genießen, denn es war tatsächlich schön hier oben. Es war total verrückt, verboten und irre, aber einfach wunderbar.
29.
„Fahr schneller, bitte! Wir müssen uns beeilen!“ Raffaele war so beunruhigt wie schon seit Jahren nicht mehr, denn mit jeder Faser seines Körpers konnte er spüren, dass vieles im Argen lag – mehr, als er bis jetzt geglaubt hatte. Doch je näher sie an Tunis herankamen, desto deutlicher wurde das Gefühl. Sie wurden gerufen!
„Herr, das Gaspedal ist fast durchgetreten, schneller geht es le ider wirklich nicht mehr.“ Der arme Fahrer tat wahrlich sein Bestes und schien selbst am Verzweifeln zu sein.
Raffaele schnaubte erst ungeduldig, riss sich aber sofort z usammen. „Schon gut, verzeih, es ist nicht deine Schuld.“
Während sich der Konvoi, bestehend aus sieben großen Autos, über die Wüstenpiste quälte, versuchten Luca und Saif, ihre Mobiltelefone wieder zum Laufen zu bringen. Der erste Funkmast war nur noch ein Häufchen aus Stahl, Holz und verkohlten Kabeln gewesen – keine Frage, dass Alexandre auch dort Hand angelegt hatte. Sein Plan war gut, das musste man ihm lassen. Jetzt aber sollten sie irgendwann wieder telefonieren können, schließlich gingen ja auch die Navis wieder, zumindest ab und zu.
Saif rief schließlich, dass er wieder Empfang hatte. Er hatte sich die letzten Kilometer fast konstant mit dem Oberkörper aus dem Fahrzeugfenster gelehnt, in dem verzweifelten Versuch, Kontakt zur Außenwelt herzustellen. Sofort wählte er Samiras Nummer, schüttelte aber schon nach wenigen Sekunden en ttäuscht den Kopf. „Das Telefon ist tot. Entweder ist sie in einem Funkloch, oder …“ Er sprach lieber nicht weiter, sondern versuchte es bei ihrem Gefährten, Jorge.
Der saß offenbar auf seinem Telefon, denn er meldete sich s ofort. Allerdings musste Saif ihn gleich unterbrechen, denn Jorge schien so aufgeregt, dass er zuerst einmal gar nichts verstand, nur, dass etwas geschehen sein musste. Unvermittelt brüllte er ins Telefon: „Jorge!! Verdammte Scheiße, reiß dich zusammen! Langsam und verständlich bitte! Erzähl, was los ist – und zwar so, dass wir es verstehen.“
Luca und Raffaele sahen den Türken erstaunt an. Der hob en tschuldigend die Arme. „Was soll ich denn machen? Er ist total hysterisch vor Angst“, raunte er ihnen zu. Seine Schreiattacke war anscheinend erfolgreich gewesen, denn nun schilderte Jorge, dass Sami nicht beim vereinbarten Treffpunkt erschienen war, wie sie die Strecke abgefahren waren und den
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