Kinder der Dunkelheit
ich ahne, dass er sich in den langen Jahren eine Armee mit seinem Blut geschaffen hat. Das macht es für uns nicht gerade leichter.“
Resigniert zog Luca sich dann zurück und wies zwei der Wäc hter an, das Mädchen in die Residenz nach Sousse zu bringen und ihr ein ehrenvolles Begräbnis zuteilwerden zu lassen. „Ihr wisst, wie lieb sie eurer Herrin war. Erweist dem Kind Respekt!“
Die Wächter verbeugten sich vor Luca und Raffaele, stiegen in den Rover und Luca wusste, dass das Mädchen mit allen Ehren auf die andere Seite hinübergehen würde. Doch jetzt musste er endlich etwas ganz anderes tun.
Er ging ein paar Schritte beiseite und griff nach seinem Handy. Schon nach dem dritten Klingeln war Sabine in der Leitung. Allein der Klang ihrer Stimme ließ eine große Anspannung von ihm abfallen. „Mein Engel, endlich, ich habe dich so vermisst! Bitte verzeih mir, aber wir hatten keinen Empfang in Abdallahs Haus und auch sonst einige Probleme.“ Während Sabine antwortete, überlegte er angestrengt, wie er ihr die Ereignisse der letzten Nacht so schildern konnte, dass sie etwas harmloser klangen.
Er war augenscheinlich nicht sehr erfolgreich, denn seine G efährtin war sehr erschrocken. Was dahintersteckte, begriff er erst, als sie so schnell und so knapp wie möglich schilderte, wie Angel in der Nacht die Präsenz eines fremden Vampirs gespürt hatte, ebenso davon, dass er im selben Moment unterwegs nach Paris war, wo Fürst Richard sich große Sorgen um das Wohlergehen seiner Tochter machte. Schon während Sabine erzählte, keimte in ihm der Verdacht auf, dass auch sie in Gefahr sein könnte. „Wie kann Angel dich nur allein lassen? Wo bist du überhaupt gerade?“
Seine Augen weiteten sich in ungläubigem Erstaunen, als Sab ine ihm etwas zurückhaltend erzählte, dass sie nicht auf sich gestellt, sondern soeben nach einem nächtlichen Ausflug zurückgekommen war und sich im Großen und Ganzen sehr sicher fühlte. Noch viel erstaunter war er allerdings, als sie ihm erzählte, wen Angel zu ihrem Schutz bei ihr gelassen hatte und als sie ihm zum Abschied versicherte, er müsse sich keinerlei Sorgen um sie machen.
Luca schaltete das Handy ab und sah Raffaele mit verwirrtem Blick an. „Sie sagt, sie fühlt sich vollkommen sicher mit Stefano und er würde sich ,sehr aufmerksam‘ um sie kümmern.“
Raffaele knurrte: „Ruf sie noch mal an. Sie soll den Typen fragen, wer er ist und was er mit Stefano gemacht hat. Ich glaub es ja nicht!“
In einem seltsamen Zweikampf der Gefühle gefangen, legte Sabine nachdenklich das Telefon zurück auf den kleinen Tisch in der Empfangshalle des Palazzo. Vor einigen Augenblicken waren sie und Stefano erst wieder zurückgekommen und sie hatte während ihres Ausflugs keine Sekunde vor ihm Angst gehabt. Nun war es Luca gelungen, sie wieder zu verunsichern – am Handy hatte er sie eben noch einmal vor Stefano gewarnt. Warum sollte der Mann, der sie so sehr liebte, Unwahres über einen anderen erzählen? Andererseits hatte sie Stefano soeben spontan verteidigt, sie hatte einfach auf ihr Bauchgefühl gehört und das sprach eindeutig für den dunklen Vampir und seine Zuverlässigkeit. Konnten Raffaele und Luca sich so sehr täuschen? In Gedanken versunken, brachte sie ihre Jacke nach oben, machte sich etwas frisch und entschloss sich dann wieder in den Salon zu gehen und Stefano Gesellschaft zu leisten. Das Strahlen, das allein die Tatsache, dass sie Lucas Stimme gehört hatte, auf ihre Züge gezaubert hatte, ließ sich nicht verstecken.
Stefano lag auf dem Sofa und zappte sich durch das anspruch slose Fernsehprogramm. „Und, sind sie schon unterwegs, um dich vor mir in Sicherheit zu bringen?“
Sabine kapierte zuerst gar nicht, dass Stefano mit ihr gespr ochen hatte. Erst sein fragender Blick ließ sie verstehen. „Wie meinst du das? Natürlich kommen sie nicht, oder zumindest nicht darum. Wie kommst du darauf?“
„Jahrhundertelange Erfahrung.“ Es tat ihr weh, dass seine Stimme nun wieder so verbittert klang.
Krampfhaft suchte Sabine nach den richtigen Worten, um eine vernünftige Erklärung zu formulieren. „Du darfst ihm nicht böse sein, er ist eben in Sorge um mich. Er hat mir das Leben gerettet, als mein gewalttätiger und eifersüchtiger Exfreund mich umbringen wollte. Mit ihm ist Ruhe in mein Leben eingekehrt. Er hat mit Gewalt nichts am Hut. Bei ihm kann ich mich endlich geborgen fühlen.“ Hatte sie sich das eingebildet, oder war bei ihrer Aussage,
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