Kinder der Dunkelheit
sinnvoll zu verbringen.
Nach einem kleinen Frühstück, zu dem Marcello sie überredet hatte, trabte sie, noch mit der Kaffeetasse in der Hand, in Raffaeles Labor. Warum sie ausgerechnet das Buch zu Giftpflanzen und deren Wirkung aus dem Regal fischte, hätte Sabine sicher nicht erklären können. Auf jeden Fall wuchtete sie den Riesenschmöker voller Wissensdurst auf den Schreibtisch und vertiefte sich darin.
Akribisch arbeitete sie sich durch die Liste der giftigen Pflanzene xtrakte und deren Gegenmittel. Sie hatte ja während ihrer Ausbildung schon die meisten Pflanzen kennengelernt, da die meisten in homöopathischer Dosierung Heilmittel waren, aber eben nur in minimalen Potenzen. Das Buch faszinierte sie und so holte sie ihren Block und schrieb sich einige der Gifte und deren Geschichte auf. Erst, als ihr Magen so laut knurrte, dass sie ihn nicht mehr ignorieren konnte, legte sie den Stift beiseite. Faszinierend, was Mutter Natur an Gutem und Bösem bot – wobei auch das Böse noch gut zu sein vermochte. Sabine liebte es, mit den Mitteln der Natur zu behandeln, um wie viel besser war das als die Pharmakeulen und deren Nebenwirkungen!
Gift hin, Ekzembildung her, sie hatte jetzt wirklich Hunger. Welch Wunder. Ein kurzer Blick auf Raffaeles antike Wanduhr genügte, um zu sehen, dass es tatsächlich bereits kurz nach sechs war. Stöhnend erhob sie sich aus dem bequemen Sessel.. Kurz bevor sie das Zimmer verlassen wollte, öffnete sich die Tür.
„Hier steckst du, gut zu wissen. Machst du dich bitte fertig? Wir müssen etwas erledigen.“ Stefano war verschwunden, ehe sie auch nur ein Wort über die Lippen gebracht hatte.
Sabine zog verärgert eine Grimasse, bevor sie sich auf den Weg machte, um die Anweisung ihres Beschützers auszuführen. Die Möglichkeit, sie zu fragen, ob sie zu was-auch-immer überhaupt Lust hätte, schien er nicht in seinem Repertoire zu haben.
Sabine eilte in ihr Zimmer, schlüpfte schnell in ihre Cowboystiefel, zog eine Jeansjacke über, bürstete sich eilig die langen Haare und beschloss, dass das reichen musste. Dann hastete sie die Treppe nach unten, wo Stefano schon wartete. Mit wehendem Ledermantel drehte er sich um und stapfte auf seinen Bikerboots hinaus in die Abenddämmerung.
Sabine beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten. Bei seinen langen Beinen und dem Tempo, das er vorlegte, war das gar nicht so leicht. Verstohlen spähte Sabine immer wieder zu ihm hinüber und versuchte, herauszufinden in welcher Stimmung er war.
„Stefano, darf ich dich etwas fragen?“
„Sicher.“
„Wohin gehen wir eigentlich? Ich habe ziemlich Hunger, um ehrlich zu sein. Dort im Labor habe ich total die Zeit vergessen, mein Magen knurrt.“ Irrte sie sich, oder hatte er tatsächlich gerade gelächelt?
„Tröste dich, ich hatte seit gestern Abend auch nichts mehr. Nein, kleiner Scherz. Ich will dir zuerst etwas besorgen und dann bekommst du was zu essen, in Ordnung?“
Ihre Neugierde war geweckt. Aber noch einmal fragen, was er im Sinn hatte, wollte sie lieber nicht, vor allem benötigte sie ihre Puste, um mit ihm auf gleicher Höhe zu bleiben. Also beließ Sabine es bei einem vielsagenden „Aha“ und trabte weiter neben ihm her.
Stefano verlangsamte seine Schritte kurz darauf ein klein w enig, als hätte er ihre Gedanken gelesen, und führte sie immer weiter in ein Viertel, in dem sie noch nie gewesen war. Es war dunkel und feucht, die Wände waren mit wilden Graffitis besprüht und an einigen Häusern entdeckte Sabine kaputte, notdürftig reparierte Scheiben.
„Stefano, wo sind wir hier?“
„In einer Gegend, in die du allein bitte nie gehst. Mit mir ist es sicher, keine Angst.“
Allein würde sie nie im Leben hier sein wollen, darüber war sie sich durchaus klar. Die Menschen hier gehörten nicht zur freun dlichen Sorte. Misstrauische Blicke aus dunklen Augen verfolgten sie mit jedem Schritt. Stefano störte das offenbar wenig. Kein Wunder, sobald ihn die Leute nur ansahen, senkten sie sofort den Blick und gingen ihm weiträumig aus dem Weg. Schließlich bog er in eine kleine Gasse ein, die gerade so breit war, dass sie hintereinander hindurchlaufen konnten. Wie selbstverständlich griff Stefano nach ihrer Hand und hielt sie fest, während sie immer tiefer in das Gewirr an schmalen Gassen eintauchten.
Sabine wurde nicht aus ihm schlau. An seiner Hand fühlte sie sich absolut sicher und während sie hinter ihm herlief, atmete sie zwangsläufig seinen Geruch ein. Stefano roch
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