Kinder der Dunkelheit
Nachsicht zu tun. Wenn du sie jetzt umbringst, haben sie keine Gelegenheit mehr, ihre Lernfähigkeit unter Beweis zu stellen, oder?“
Ares ließ die noch immer halb zum Schlag erhobene Hand sinken und sah Selda nachdenklich an. „Ich sage es ja nur ungern, aber du überraschst mich immer wieder aufs Neue, Selda-verdammt-noch-mal.“
Sah sie richtig? Lächelte er? Und wie hatte er sie da gerade g enannt? „Ähm, wieso nennst du mich so?“
Sein Lächeln vertiefte sich noch um eine Spur. „Nun ja, du hast doch auf der Jacht ganz nachdrücklich klar gemacht: ,Ich heiße Selda-verdammt-noch-mal‘, ich habe dir nur zugehört.“
Selda hörte nur mit einem Ohr, dass Audrey hinter ihr einen Lachanfall nicht mehr unterdrücken konnte und dass auch die anderen bis auf Samira allesamt kicherten. Sie war zu sehr damit beschäftigt, in diese blauen Augen zu sehen, die wenn er lächelte, funkelten wie der Bosporus in der Morgensonne. Endlich gelang es ihr, sich von seinem Blick loszureißen. „Sehr witzig, junger Mann, dann versuchen wir das also noch mal. Also, ich heiße Selda!“
Ares lächelte noch immer. „Ich weiß!“ Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und stapfte, die Hände in den Taschen seiner Cargohose versenkt, aus dem Raum.
„Was war das denn, bitteschön?“ Luisa sah Ares nach, als habe sie eine Fata Morgana gesehen. „Hat der Typ eben gelächelt? Selda, hast du irgendwelche magischen Kräfte, von denen du uns nichts erzählt hast?“
Die zuckte nur, selbst noch immer vollkommen perplex mit den Schultern. „Keine Ahnung, echt nicht. Der Kerl scheint tatsäc hlich menschliche Züge zu haben, wenn das da eben nicht bloß ein Ausrutscher war.“
Ein Stöhnen ließ sie alle innehalten. Samira hatte sich auf e inem großen Bett, auf dem sie sich niedergelegt hatte, zu einer kleinen Kugel zusammengekrümmt. Sofort war Ares vergessen.
Selda eilte auf Samira zu. „Samira, was hast du? Hast du Hunger? Was kann ich tun?“
Audrey, die noch nicht wieder mit Ketten fixiert worden war, kam ebenso herbeigeeilt und beugte sich über die Schwangere, die offensichtlich Schmerzen hatte. Samira sah die beiden flehentlich an und bedeutete ihnen mit Seitenblicken auf die vier Fremden, die noch im Raum waren und ihrer Aufgabe nachgingen, die Fürstentöchter an langen Eisenketten festzumachen, zu schweigen.
Audrey verstand sofort und lenkte ab. „Du wirst gleich wieder bei Kräften sein. Du hast zu wenig Nahrung bekommen.“ Sie drehte sich um und funkelte den Mann, der gerade dabei war Carla an die Wand zu fesseln, wütend an. „Fragt doch mal bei Gelegenheit eure Gebi eter, ob es beabsichtigt ist, uns verhungern zu lassen! Wir bekommen so wenig, dass unsere Schwester hier schon leidet.“
Die Wächter, noch verunsichert nach Ares’ heftiger Reaktion, wagten es nicht zu widersprechen, also schwiegen sie lieber und beeilten sich, alle fünf an die eisernen Ringe in den Wänden zu ketten. Wortlos trollten sie sich dann aus dem großen Raum.
Selda sah sich in ihrem neuen Gefängnis um, während sie Samira, zu der sie trotz der Kette bequem hinübergehen konnte, den Rücken massierte,. Sie befanden sich in einem riesigen Raum, der wohl einmal ein großes Speisezimmer oder ein Salon gewesen sein musste. Die Decke war gut vier Meter über ihnen und mit altem, gut erhaltenem Stuck verziert. Die weißen Wände waren mit warmen, terracottafarbenen Mustern verziert. An beiden Seiten des Raumes standen jeweils drei sehr bequem aussehende breite Betten, daneben Ledersessel und jeweils dazwischen ein kleiner Tisch aus dunklem Holz. Die hohen Fenster waren mit schweren goldgelben Samtvorhängen verdunkelt, die bei Tag dennoch ein klein wenig warmes Licht hereinlassen würden. Alles in allem war ihr Gefängnis groß, recht stilvoll eingerichtet und um einiges besser als die enge, stickige Kabine auf der Jacht. Und dennoch, es blieb ein Gefängnis, was die Eisenketten, die mit einem – immerhin mit Leder gepolsterten – Ring an ihren Handgelenken befestigt waren, nur zu deutlich werden ließen.
An der gegenüberliegenden Wand waren Carla, Audrey und Luisa untergebracht, auf dieser Seite sie und Samira. Selda fragte sich, für wen wohl das letzte Bett gedacht war. Sie kam mit ihren Überlegungen nicht weit, denn es klopfte leise und sie ahnte schon, wer das sein würde. Nur einer hatte schon auf der Jacht so viel Anstand gehabt, zu klopfen, bevor er hereinkam.
Andro betrat leise den Raum und schloss die Tür hinter
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