Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Dunkelheit

Kinder der Dunkelheit

Titel: Kinder der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Ketterl
Vom Netzwerk:
eine Flucht mit ihm – dem „Ungläubigen“, der zwar lange der Liebling der Gesellschaft gewesen war, den man nun aber doch um des eigenen Wohles willen lieber nicht mehr mit einbezog – fast schon an ein Wunder grenzte.
    Trotz seiner inneren Anspannung konnte Mohammed ein L ächeln nicht unterdrücken. Es war sehr gut vorstellbar, dass einige der Damen diese Entwicklung zutiefst bedauern würden – dachte er allein an die eindeutigen Angebote, die er in den letzten Jahren erhalten hatte, dann konnte er durchaus nachvollziehen, dass sie ihn sicher lieber anderswo sähen als auf der Flucht.
    Es war spät geworden und das Anwesen lag in tiefer Dunke lheit, selbst der Mond schien Trauer zu tragen. Nur zu gern hätte Mohammed es ihm nachgetan und in aller Ruhe hier im Dunkeln von allem Abschied genommen, doch dazu blieb keine Zeit.
    Fathi hatte ihm sein Pferd gesattelt und ihm nochmals angeb oten, ihn zu begleiten. „Lasst mich mitkommen, zu zweit ist es sicherer! Vier Augen vermögen mehr zu sehen als nur zwei“, hatte er gedrängt.
    Doch Mohammed hatte vehement abgelehnt. Fathi wurde hier gebraucht; er war es, der bislang immer den Überblick bewahrte und der die Familie jederzeit mit seinem Leben verteidigen würde. So schloss er den überraschten Fathi fest in die Arme und beruhigte ihn erneut. „Du bleibst! Hier sind Frauen und Kinder zu beschützen. Ich kann auf mich selbst aufpassen, das hast unter anderem du mir beigebracht. Bring meine Familie heil an den Pass, das ist viel wichtiger.“
    Mohammed warf sich seinen schwarzen Reitermantel über und zog sich die Kapuze über den Kopf, die sein langes Haar ve rdeckte. Er schwang sich auf sein Pferd, blickte noch einmal zurück auf sein Heim, in dem er so glücklich gewesen war und das er hier wohl zum letzten Mal sehen würde, dann stieß er seinem Schimmel vorsichtig die Fersen in die Flanken und verschwand in der Nacht.
     
    „Dummheit und Arroganz haben einen Namen. Wie kann man so blöd sein, in der Nacht auf einem Schimmel zu reiten? Allzu viel Intelligenz hat der junge al Hassarin offenbar nicht abbekommen.“ Juan kicherte selbstzufrieden.
    „Halt den Mund, Juan, vergiss nicht, dass dieses Heidenpack Zauberkräfte hat! Man sagt, sie können über Kilometer hinweg kleinste Geräusche wahrnehmen. Wenn sie dich hören, ist unser Plan hinfällig.“ Sebastian, der Anführer von Don Ricardos Truppe, schien nervös zu sein. Nicht ohne Grund, denn er kannte die Kampfeskraft und den Mut der Mauren. Nicht zum ersten Mal lauerte er im Dunkeln – bereit, einen Überfall durchzuführen. Don Ricardo machte keine halben Sachen. Sebastian wusste aber auch, was der Don mit Leuten anstellte, die versagten, und darauf hatte er nun am allerwenigsten Lust.
    „Sei einfach nur still, Juan! Noch eine halbe Stunde, dann kannst du zeigen, was in dir steckt.“ Dann wandte er sich an die Umstehe nden. „Los, lasst uns etwas zurückgehen! Und sorgt dafür, dass die Pferde ruhig sind. Nichts darf uns verraten, also absolute Ruhe jetzt!“
    Die wohl fünfzig Männer starke Truppe zog sich stillschwe igend tiefer in die Dunkelheit zurück und wartete geduldig auf ihren Einsatz.
     
    Mohammed hatte zu Pferd geräuschlos das weitläufige Anwesen von Anas Eltern umrundet. Vorsichtig glitt er aus dem Sattel und sah sich um. Schemenhaft erkannte er das kleine Tor am hinteren Ende des großen Gartens und schlich leise darauf zu. Noch konnte er Ana nirgends erblicken. Ein wenig ratlos blickte er auf die kleine Pforte. Wie wollte Ana denn hier ihr Pferd hinausbekommen? Alles war totenstill, nicht einmal die Tiere der Dunkelheit schienen heute Lust zu haben, die Nacht mit ihren Lauten und Gesängen zu erfüllen.
    Mohammed war bei der Pforte angekommen. Vorsichtig drüc kte er mit der flachen Hand gegen das verwitternde Holz und tatsächlich öffnete sich die kleine Tür einen winzigen Spalt. Doch was er dann erblickte, gefiel ihm überhaupt nicht: Don Ricardos zynisches Lächeln war etwas, das er nun gar nicht zu sehen erwartet hatte. Leider kam das warnende, laute Wiehern seines Pferdes zu spät, als dass es hätte verhindern können, dass er nun von groben Händen nach vorn durch das Tor gezogen wurde. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte der Länge nach in das von Anas Mutter mit Liebe angelegte Rosenbeet.
    „Nun sieh einer an, wen haben wir denn da? Wenn das nicht Mohammed al Hassarin ist, der sich als Einbrecher versucht. Was könnte er nur hier wollen? Männer, helft mir

Weitere Kostenlose Bücher