Kinder der Dunkelheit
das hast du dir verdient – dafür, dass du bereit bist, unsere Leben zu retten. Nun geh, ich möchte nicht, dass du Probleme bekommst.“ Er legte den Beutel in Pedros Hände und wies ihn dann an, sich aufzumachen.
„Danke, Herr, tausend Dank! Doch das hätte ich auch ohne Geld getan, das müsst Ihr mir glauben!“
Yussuf nickte nur abwesend. „Schon gut, und nun lauf, hier haben die Wände Ohren.“
Pedro rannte davon wie vom Teufel gehetzt, er wollte nur noch weg. Er hatte die al Hassarins verraten, ausgerechnet die Menschen, die ihm noch nie etwas Böses getan hatten! Konnte er noch tiefer sinken? – Wohl kaum! Als er schon fast wieder an seinem eigenen Haus angekommen war, denn Juan hatte ihm eingeschärft, sich ja nicht in der Nähe von Don Ricardos Anwesen blicken zu lassen, verlangsamte er seine Schritte und öffnete schließlich den Beutel. Silberdublonen, reine, glänzende Silberdublonen glitten in seine schweißnasse Hand. Er war in seiner eigenen Religion nicht allzu sehr bewandert, doch diese Geschichte kannte er! Als er sein kleines Haus am Rande der Stadt erreichte, ging er in den Garten, setzte sich unter einen Zitronenbaum, vergrub sein Gesicht in den Händen und schämte sich, wie er sich noch nie in seinem Leben geschämt hatte. Er war zu einem Verräter geworden, einem feigen, hinterhältigen Verräter.
Mohammed und Yussuf blickten Pedro hinterher, bis sie ihn nicht mehr sehen konnten. „Denkst du, er ahnt, dass er uns ins Verderben schickt?“
„Ich weiß es nicht, mein Sohn. Ich wünschte mir fast, er wüsste es nicht. Doch leider müssen wir annehmen, dass er und Juan beide im Auftrag von Don Ricardo handeln. Es tut weh, nach so vielen Jahren die sprichwörtlichen Messer in den Rücken zu bekommen.“ Yussuf klang müde und traurig. „Aber es nutzt leider nichts. Wir müssen den Tatsachen ins Auge blicken. Lass uns zusehen, dass wir noch ein wenig Schlaf bekommen, bevor wir aufbrechen.“
„Vater, ich werde Ana holen. Sie wird uns begleiten.“
Yussuf seufzte nur leise. „Du bist erwachsen. Du musst wissen, in welch immense Gefahr du dich begibst, wenn du Ana en tführst. Denn als das werden sie es hinstellen – als die Entführung einer hilflosen Christin.“
„Es tut mir leid, Vater, aber ich bin so unendlich glücklich d arüber, dass sie sich für mich entschieden hat, dass ich diese Gefahr nicht fürchte. Ein Leben ohne Ana will ich nicht!“
Yussuf lächelte leise und wissend. Er erinnerte sich nur zu gut an den langen Kampf um Fathwa, denn er selbst war ihrem Vater nicht gut genug gewesen und hatte sie dann beim Kampf mit einem Rivalen fast schon „erstritten“. Fathwas Vater war tief beeindruckt gewesen von seiner Hartnäckigkeit und von so viel aufopfernder Liebe. Wie konnte er also seinem Sohn hier weise Ratschläge erteilen?
„Dann geh bitte wenigstens nicht allein. Nimm Fathi mit, er kann dich schützen.“
„Das kommt nicht infrage, Vater! Fathi wird hier gebraucht. Ich bin schneller wieder mit Ana zurück, als du denkst. Wir treffen euch dann an der Weggabelung oben am Pass. Wenn einer von uns früher dort sein sollte, kann man in den Höhlen Deckung suchen. Anas Plan ist weise.“
Yussuf schloss seinen Erstgeborenen wortlos in die Arme. „Mohammed, ich liebe dich. Du trägst einen stolzen Namen, der Verantwortung mit sich bringt. Ich vertraue auf dich und deinen Verstand. Tu, was du tun musst.“
Die Männer verschwanden mit raschen Schritten in den oberen Räumen und trieben die restlichen Familienmitglieder unnac hgiebig zur Eile an. Es ging um ihrer aller Leben.
5.
Dichte Wolken hatten ihm heute den Blick auf den letzten Sonnenuntergang in seiner Heimat verwehrt. Die Dunkelheit war rasch hereingebrochen und Mohammed begrüßte sie dankbar. Er hasste den Gedanken, dass er und die Seinen das Land, das er und seine Vorfahren so lange zu dem gemacht hatten, was es heute war, verlassen und sich davonstehlen mussten. Es war unwürdig und erschien ihm wie ein Verrat am Erbe seiner Familie. Aber er konnte den Lauf der Dinge nicht ändern; zu bleiben, würde alles nur schlimmer machen. Doch was war das alles gegen die wunder volle Nachricht, dass er nicht allein würde gehen müssen? Um ehrlich zu sich selbst zu sein, musste er sich eingestehen, dass er niemals geglaubt hatte, dass Ana tatsächlich mitkommen würde. Ihre enge Bindung an ihre Familie, ihre Erziehung und nicht zuletzt ihre Abstammung hielten sie so fest bei den Ihren, dass
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