Kinder der Dunkelheit
Sohn geworfen hatte, als die Männer sie brutal beiseitestießen und der Junge, so tapfer er sich auch verteidigt hatte, von der Übermacht niedergemetzelt wurde.
Sebastian hatte ihre Augen gesehen, als ihr Kind starb, und dann diesen Schrei gehört – einen Schrei, den er sein Leben lang nicht mehr vergessen würde. Er wusste nicht, weshalb – in seinem Leben hatte er schon so viele Todesschreie gehört, niemals berührten sie ihn auch nur im Geringsten. Doch in diesem Ausbruch lag so viel mehr als nur Angst! All ihre Verzweiflung, ihre Trauer, ihren Zorn, all ihren Hass und ihre ganze Hilflosigkeit hatte Fathwa al Hassarin in diesen Schrei gelegt, als sie erkannte, dass ihr Sohn tödlich verwundet worden war.
Sie hatte den Blick über das Gemetzel im Innenhof schweifen lassen und in die erwartungsvoll grinsenden Gesichter der Mörder ihres Sohnes gesehen. Den Dolch in ihren Händen erkannten sie alle viel zu spät. Zu klein war er, um im Kampf größeren Schaden anzurichten, doch groß und scharf genug, um sich mit einem einzigen Schnitt die Kehle zu durchtrennen. Als Fathwa langsam zusammensackte, war auch mit Sebastian etwas geschehen. Zum ersten Mal in seinem Leben empfand er tiefe Bewunderung und auch Respekt für einen Gegner, für diese mutige Frau. Als er jetzt sah, wie Juan den leblosen Körper mit einem rücksichtslosen Tritt traktierte, wallte Zorn in ihm auf. Mit nur zwei Schritten war er bei Juan, zog ihn zu sich herum und schlug ihm die flache Hand mit solcher Kraft in das ausdruckslose Gesicht, dass der Mann von der Wucht des Schlages umkippte und rücklings hinfiel.
Als er wütend aufspringen wollte, hatte Sebastian sein Schwert gezogen und hielt Juan die Klinge an den Hals. „Wage es nie wieder, unter meinen Augen eine Tote so zu behandeln! Diese Frau hat unser aller Respekt verdient. Ich weiß nicht, ob du g enug Verstand hast, das zu begreifen, sollte dem nicht so sein, dann nimm es als Befehl. Sollte ich so etwas noch einmal sehen, ziehe ich dir die Klinge über deine dumme Visage, hast du das wenigstens verstanden?“
Juan war einfältig, aber nicht lebensmüde. „J-ja, Commandante, alles klar“, stammelte er.
Sebastian wandte sich ab und ging zu der großen Terrasse vor dem Haus. Suchend glitt sein Blick über diverse Stühle und Diwans, die dort noch standen. Auf einem erblickte er ein großes buntes Tuch. Er ergriff es, ging zu dem Leichnam der Frau hinüber und wickelte sie behutsam darin ein. Dann nahm er sie hoch und trug sie langsam hinaus, wo seine Männer bereits, den Anweisungen des Don folgend, zwei Scheiterhaufen errichtet hatten, auf denen sie die Toten verbrannten.
Sebastian legte den Körper Fathwas vorsichtig auf einige große trockene Äste und schichtete Reisig um sie herum auf. Als er damit fertig war, riss er einem der Männer, die das Feuer immer wieder anfachten, um es nicht zum Erliegen kommen zu lassen, die Fackel aus der Hand und zündete Holz und Reisig eigenhändig an. Seine Männer sahen erstaunt zu ihm hinüber, doch keiner wagte, auch nur ein Wort zu sagen. Sebastian wartete, bis der Leichnam gänzlich in Flammen stand, dann drückte er dem Mann die Fackel wieder in die Hand und stapfte wortlos zurück zum Haus.
Sebastians Augen sahen vieles. So sah er auch, wie sich einige der Männer verstohlen kleine Schätze in ihre Beutel steckten. Er würde sie nicht verurteilen, doch es widerte ihn an. Bei seinem Rundgang durch das Haus warf er einige seiner Leute aus Rä umen, in denen sie nichts zu suchen hatten, schloss diese für den Don ab und stieg die Treppe hinunter in die Eingangshalle. Da alle al Hassarins und auch ihre Dienerschaft das Haus verlassen hatten, um sich oder Familienangehörige zu verteidigen, war kaum Blut in der Halle. Der Don konnte sich freuen. Er würde den prachtvollen Bau in hervorragendem Zustand vorfinden.
Sebastian schritt langsam durch den hohen Flur der Halle und blickte auf die wenigen verbliebenen Bilder, die dort noch die Wände zierten. Es gefiel ihm, was er sah, hier war jemand mit gutem Geschmack am Werk gewesen. Über einer kleinen Maue rnische hing ein großes Porträtgemälde. Es zeigte Mohammed – den, dessen Ende dem Don so sehr am Herzen lag. Als Sebastian das Bildnis näher betrachtete, konnte er sich auch gut vorstellen, warum. Alles, woran es dem Don fehlte, hatte dieser junge Mann im Überfluss: Schönheit, Ausstrahlung, ein warmes, freundliches Lächeln und die fast schwarzen Mandelaugen seiner Mutter. Er
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