Kinder der Dunkelheit
Freude ihr Gesicht mit beiden Händen sanft anhob und sie aufs Haar küsste.
Netta lief aus dem Haus, sorgsam darauf achtend, dass sie nicht zu schnell rannte und zu viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Als das Anwesen der al Hassarin hinter ihr lag, gelang es ihr nicht mehr, ihre Gefühle zu unterdrücken. Blind vor Tränen stolperte sie zurück zur Villa Don Ricardos.
Pedro fühlte sich miserabel, doch ihm war durchaus bewusst, dass seine Frau und sein Kind es nicht überleben würden, wenn er hier seinen Auftrag nicht wunschgemäß erfüllte. Auf dem Weg zu seinem ehemaligen Zuhause, denn das war das Anwesen Yussuf al Hassarins für ihn durchaus gewesen, fragte er sich immer wieder, wie er nur in diese hinterhältige Intrige hatte hineinrutschen können. Dieser verfluchte Juan und sein Hass auf die Moslems, sein ewiger Neid auf deren Besitztümer! Wäre Juan nicht so stinkfaul, so hätte er es bei den al Hassarins bestimmt selbst zu einem ansehnlichen Vermögen bringen können. Sie hatten immer gut bezahlt und auch die Familien ihrer Leute nie vergessen. Trotzdem war es so weit gekommen, dass er jetzt wie ein Tagedieb dorthin schlich und kurz davor war, die Familie zu verraten, doch einen Weg zurück sah er derzeit leider nicht. Also straffte er zumindest die Schultern und ging tapfer auf den verblüfften Fathi zu, der ihm mit zornigem Blick entgegensah.
„Kommt da eine Ratte zurück auf das sinkende Schiff oder wie darf ich das auffassen?“
„Nein, Fathi, bitte, das ist alles ein großes Missverständnis; ich wäre schon früher gekommen, aber ich konnte nicht! Juan ist in die Dienste von Don Ricardo getreten. Ich habe geahnt, dass das böse Folgen haben wird, und mich ihm vorsichtshalber angeschlossen.“
„Ah, vorsichtshalber ? Für wie dumm hältst du mich eigentlich?“
„Fathi, bitte, ich habe immer gut gearbeitet und mir nie etwas zuschulden kommen lassen! Bitte glaub mir, es hat sich gelohnt, dass ich dort war: Ich habe mitbekommen, dass Don Ricardo mit der Unterstützung von Juan einen Angriff auf die Familie plant. Sie wollen im Laufe der Nacht das Haus überfallen. Sie haben sich für drei Stunden nach Mitternacht verabredet, dann wollen sie hierherkommen und die ganze Familie gefangen nehmen, mit der Begründung, dass sie von einer Verschwörung aller Mauren Granadas Kenntnis erhalten hätten. Ich flehe dich an, glaub mir! Die al Hassarins müssen noch heute Abend fliehen! Die Dunkelheit wird ihnen Schutz bieten, der Weg zur Küste ist mit Pferden und Wagen gut zu bereisen. Sie können ihnen entkommen. Bitte sag es den Herren, ich will nicht, dass ich umsonst von hier fortgegangen bin wie ein Dieb in der Nacht.“
Fathi war unsicher geworden. Er kannte Pedro als ehrlichen und guten Arbeiter. Als dieser jetzt vor ihm stand und ihn anflehte, ihm zu vertrauen, war er durchaus versucht, seinen Worten Glauben zu schenken.
„Wenn du lügst, reiße ich dir eigenhändig die Hoden ab und verfüttere sie an die Hunde, hast du mich verstanden?“
Pedro schluckte. Wohin er derzeit auch blickte, seine Zukunft sah nicht gerade rosig aus. „Ja, Fathi, ich habe dich sehr gut verstanden.“
„Komm mit.“ Fathi durchmaß mit großen Schritten den Hof und eilte ins Haus. Im Innenhof stießen die beiden Männer fast mit Yussuf al Hassarin und seinem ältesten Sohn zusammen.
„Verzeiht, Herr, aber Pedro hat Euch etwas zu erzählen, von dem ich glaube, dass es tatsächlich wichtig sein könnte.“ Fathi schubste Pedro nach vorn. „Los, erzähl den Herren deine G e schichte, dann werden wir sehen, ob sie ihr Bedeutung beimessen. Na los, Mann, rede!“
Es dauerte eine Weile, doch schließlich schaffte Pedro es, die Geschichte, die Juan ihm ins Hirn gehämmert hatte, noch einmal im exakt gleichen Wortlaut wiederzugeben. Er sah, wie Moha mmed und dessen Vater immer wieder bedeutsame Blicke austauschten. Als er geendet hatte, legte ihm Yussuf al Hassarin eine Hand auf die Schulter.
„Pedro, wir stehen in deiner Schuld. Wir werden deinem Rat folgen. Ich danke dir, auch im Namen meiner Familie. Warte.“ Yussuf wandte sich an Fathi und flüsterte ihm etwas ins Ohr, woraufhin der Riese mit unerwarteter Schnelligkeit verschwand und schon nach wenigen Augenblicken, die Pedro wie eine Ewigkeit erschienen, wieder zurückkam. Er legte einen kleinen, klimpernden Lederbeutel in die Hände seines Herrn.
Yussuf wog den Beutel kurz in seiner Hand und deutete dann Pedro, näher zu ihm heranzutreten. „Hier, Pedro,
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