Kinder der Dunkelheit
direkt in Samiras leicht geöffneten Mund, doch es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie reagierte. Sie öffnete die Augen und endlich, endlich nahm sie das Blut in ihrem Mund wahr. Ihre Eckzähne schossen regelrecht in Rodrigos Handgelenk.
„Das nimmst du jetzt bitte auch nicht persönlich, aber sie kann das nicht mehr kontrollieren.“ Ares gelang ein schiefes Lächeln, als er in die großen, überraschten Augen des Freundes blickte.
Rodrigo fasste sich schnell. „Ich verstehe das. Hauptsache, sie wird wieder.“ Wie eine Raubkatze hing Samira mit nun wieder geschlossenen Augen an seiner Pulsader. Deutlich konnte man die langen Reißzähne sehen und sie trank in langen, gierigen Zügen. Rodrigo starrte mit einer Mischung aus Angst und Fasz ination auf die Frau hinab. Die Wildheit, mit der Samira ihn in Besitz genommen hatte, erstaunte ihn. Doch auf der anderen Seite war er vor allem glücklich, dass sie wieder zu sich zu kommen schien. Gerade, als es anfing, richtig weh zu tun, riss Samira die Augen auf.
Noch immer an seinem Gelenk saugend, versuchte sie zu b egreifen, was geschah. Als sie verstand, dass sie nicht nur in Rodrigos Armen lag, sondern auch offenbar schon eine ganze Weile von ihm trank, zog sie sofort die Zähne zurück.
„Samira, es ist okay. Nimm mehr, wenn du es brauchst.“ B esorgt sah der große Krieger ihr ins Gesicht.
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch: „Nein, es ist genug. Ich … ich hätte dich beinahe getötet.“
„Keine Angst, Samira, ein wenig mehr Blut haben wir dann doch im Leib.“ Erst jetzt nahm sie Ares wahr, der lächelnd auf sie hinabblickte. Noch etwas begriff sie, nämlich, dass sie nackt zwischen den drei Männern lag.
„Samira, ich weiß, was du denkst. Aber glaube mir, wir haben alle schon nackte Frauen gesehen. Wenn wir nicht rasch gehandelt hätten, dann hättest du nicht überlebt. Heute war es mehr als knapp.“
„Ich weiß“, flüsterte Samira. „Ich bin bereits an der Pforte zu den Toten gewesen. Ich habe meinen toten Bruder gesehen. Er war zu mir gekommen, aber nur, um mir zu sagen, dass es für mich noch lange nicht so weit sei. Und Habib sagte auch noch etwas anderes: Er weiß, dass du denkst, er würde dich hassen. Er will, dass du verstehst, dass er dir vergeben hat – und ich soll deine Frage beantworten. Ja, er hätte ein Freund sein können. Was immer er dir damit auch sagen will.“
Ares saß nun mit versteinertem Gesicht auf dem Boden und starrte Samira an, als habe er ein Gespenst gesehen. Dann hob er langsam eine Hand und ließ sie über ihren Körper gleiten. Seine Kraft strömte ein weiteres Mal in sie hinein und ganz langsam begann sie, die angenehme Wärme zu fühlen. Ebenso langsam wurden die Schmerzen leichter, doch dieses Mal wollten sie nicht ganz verschwinden.
Ares erhob sich und Andro bedeckte die Fürstentochter vorsichtig mit weichen Tüchern. „Hört mir jetzt alle ganz genau zu. Eigentlich wollte ich euch morgen früh in den geheimen Tunnel bringen, der nach draußen führt. Doch das ist mir zu gefährlich. Euer Leben ist hier jede Minute in Gefahr. Ich werde euch keine Sekunde länger der Willkür meines Vaters aussetzen als unbedingt nötig. Sobald die Sonne es einigermaßen zulässt, also ich schätze, in wenigen Stunden, werde ich euch dorthinbringen. Rodrigo wird auf der Mauer Wache halten.“ Obwohl Ares fast flüsterte, erfüllte die Stimme den ganzen Raum.
„Ares, bist du wahnsinnig? Wenn schon, dann musst du mit uns kommen! Dein Vater wird dich sofort töten, wenn er das herau sfindet.“ Selda hatte ihre Schmerzen gänzlich vergessen. „Du darfst nicht bleiben!“
„Danke, exakt meine Worte, aber er will nicht. Er denkt, er muss den Helden mimen, und genau so wird er auch sterben: als Held. Toll, nur leider hat keiner etwas davon.“ Rodrigo, dessen Handgelenk Ares wieder verschlossen hatte, warf einen hilfesuchenden Blick in die Runde.
„Lass es gut sein, ich bleibe hier. Er ist jähzornig, aber er ist nicht wahnsinnig.“ Ares war nicht gewillt, seine Meinung zu ändern. „Schluss mit der Diskussion. Rodrigo und seine Männer werden euch losmachen, wenn es so weit ist. Ich gehe jetzt dann und öffne das Tor. Ihr müsst schnell sein, auch wenn ihr noch Schmerzen habt. Aber es war alles vergebens, wenn er es zu früh bemerkt. Bitte versprecht mir, dass ihr ohne weitere Fragen und ohne weitere Versuche, mich zu überzeugen in den Tunnel gehen und zu euren Leuten laufen werdet, ja?“
„Unsere
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