Kinder der Dunkelheit
während seiner Ansprache doch ziemlich blass geworden war, ignorierte Raffaele lieber. Sie durfte jetzt nicht zweifeln, sie musste handeln.
So schnell sie konnten, liefen sie in den Innenhof der Burg, immer auf der Hut vor Alexandres Männern. Sabine war zum ersten Mal dankbar für das alte Blut, das durch ihre Adern rann. Raffaele hatte recht. Sie konnte problemlos alles erkennen, konnte weit und scharf sehen und sie roch Blut. Das war ein großer Vorteil, denn in aller Eile fand sie gleich an der Burgmauer den ersten verletzten Krieger, dem sie innerhalb weniger Sekunden eine langgezogene Schwertwunde versorgte, sodass er sich wesentlich schneller wieder erholen konnte. „Sabine! Ich hatte ja keine Ahnung, dass du das auch kannst. Bitte komm mit mir, es eilt.“ Rodrigo war hinter ihr aufgetaucht und sein bewundernder Blick ruhte auf Sabines Hand, die noch immer die Nadel hielt, mit der sie soeben so schnell und perfekt genäht hatte. „Natürlich, was ist passiert?“
„Alvarez! Das Problem ist, dass er sich eben nicht selbst heilen kann. Er verblutet, wenn ihm keiner hilft!“ In Sekundenschnelle war Sabine an der Seite des mutigen Kämpfers. In seiner Brust klaffte ein großer Riss, der sich vom Brustbein bis zum Bauch zog. Das sah übel aus. Sabine ließ sich ihren Schreck nicht a nmerken. Mit ruhiger Hand betäubte sie das komplette Umfeld der Wunde mit einer Lösung, die sich in einer Spritze im Koffer befand, fädelte, ohne einmal fehlzugehen, den Faden ein und begann, nachdem sie die Wunde gründlich gereinigt hatte und feststellen konnte, dass keine Organe verletzt waren, mit kleinen, engen Stichen zu nähen. Alvarez verfolgte fasziniert die Bewegungen, die so schnell erfolgten, dass sie kaum mehr wahrnehmbar waren. Als sie fertig war, vernähte Sabine gekonnt das Ende des Fadens und sah zufrieden auf ihr Werk. „Nun hatte das Blut unseres Entführers doch etwas Gutes. Ich wäre ansonsten nie in der Lage gewesen, so schnell und so perfekt zu helfen. Ich habe Augen wie ein Adler. Schade, dass das nicht vorhält.“ Sabine war ein wenig stolz auf sich.
„Danke, das sieht irgendwie viel besser aus als noch vor zwei Minuten.“ Alvarez sah deutlich erleichtert aus.
Eine Hand legte sich auf Sabines Schulter und veranlasste sie sofort, ihren Blick zu heben. „Stefano! Schön, dass es dir gut geht. Ich bin so froh, dich zu sehen.“ Sabine freute sich aufrichtig, ihren geheimnisvollen Lebensretter lebendig und offenbar unverletzt zu sehen.
„Mir geht es gut, stimmt, jemand anderem aber leider gar nicht. Komm bitte mit, sofort, keine Fragen.“ Stefano drehte sich zu Rodrigo um, der neben seinem Kampfgefährten kauerte und den riesigen Vampir mit beeindrucktem Blick musterte. „Du bist Rodrigo, der Anführer von Ares’ Truppen, stimmt’s?“
„Ja, der bin ich, woher weißt du das?“
„Ich sagte keine Fragen. Du kommst auch mit. Schnell, alle beide.“ Stefano ließ keine Zeit mehr für Mutmaßungen. Er machte auf dem Absatz kehrt und raste vor den beiden, die es kaum schafften, ihm zu folgen, in ein nahe stehendes Gebäude, weg von den letzten Kämpfen und den sterbenden Menschen. Er machte vor einer Pforte halt, die Sabine nur allzu bekannt vorkam. „Dass ich noch einmal hierherkomme, hatte ich eigentlich nicht geplant.“
„Tja, es läuft leider nie ganz so, wie man es sich vorstellt.“ St efano stieß die Tür so heftig auf, dass die Scharniere bedrohlich quietschten. In dem Zimmer standen noch immer die sechs Betten, auf denen sie so viel durchgemacht hatten, doch nur vier waren leer.
Als Sabine die beiden großen Körper erblickte und erkannte, wer auf den beiden Betten lag, konnte sie den Schrei nicht unte rdrücken. „Luca!!“
„Er hat eine Fleischwunde, die voller Gift ist, und einen Stich in die Brust abbekommen. Alexandre hatte sein Drecksschwert mit irgendwas vergiftet. Ich kann verdammt viel, aber mit Gift im Blutkreislauf habe ich allein ein echtes Problem. Hilf ihm, Sabine, sonst stirbt er uns unter den Händen weg. Reiß dich zusammen! Er braucht dich jetzt!“
Stefanos Worte klangen beschwörend und tatsächlich bewir kten sie, dass Sabine sich sofort beruhigte. Die Hand um den Griff des großen Erste-Hilfe-Koffers gekrallt, ging sie neben Luca auf die Knie. Vorsichtig beugte sie sich über ihn. „Stefano, er atmet kaum noch, sein Herz schlägt fast nicht mehr.“
„Lass dich davon nicht erschrecken. Das ist eine seiner Fähi gkeiten. Er kann seinen kompletten
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