Kinder der Dunkelheit
schenkte dem Granden ein strahlendes Lächeln, als er sehr langsam auf den Don zuging.
Als dieser sah, dass sein einstiger Feind, den er längst tot g eglaubt hatte, nun nicht nur kräftiger und lebendiger denn je, sondern auch noch mit dem Gebiss eines Raubtieres ausgestattet war, begann er zu schreien. Er schrie wie von Sinnen und Mohammed schüttelte nur tadelnd den Kopf.
„Ich muss Euch doch bitten, Don Ricardo, wollen wir denn nicht wie zivilisierte Menschen miteinander sprechen? Ach ja, ich vergaß, dazu seid Ihr ja nicht in der Lage. Ihr foltert lieber und tötet den, von dem Ihr glaubt, er sei Euch im Wege. Wie einfallslos, findet Ihr nicht?“ Inzwischen stand Mohammed direkt vor dem noch immer wie am Spieß schreienden Don.
„Ich bin enttäuscht, Don Ricardo, ich hatte auf ein anregendes Gespräch über den Tod gehofft. Ich darf Euch versichern, dieser ist durchaus nicht so schlimm, wie Ihr ihn Euch immer vorstellt. Seht mich an, ich bin der Beweis dafür, dass man sich sehr gut mit ihm arrangieren kann.“ Mohammed trat einen kleinen Schritt zurück, hob seine muskulösen Arme und grinste den Don strahlend an. Der war inzwischen kalkweiß geworden und zitterte am ganzen Leib so sehr, dass er sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte.
Mohammed sah das und meinte lächelnd: „Ihr habt Mühe, Euch auf den Beinen zu halten? Das Gefühl ist mir ja so vertraut! Ihr müsst kämpfen, Don Ricardo, nun kommt schon, macht mir die Freude. Ich habe doch noch so wunderbare Pläne mit Euch.“
Der Grande war sich wohl bewusst, dass Mohammed auf seine Kreuzigung anspielte, und sein Herz begann zu rasen. Die Hände des Don zuckten an seinen Hals, während er immer heftiger nach Luft rang, als schnüre ihm eine unsichtbare Hand die Kehle zu. Er begann zu röcheln und in seinem Mundwinkel erschien weißer Schaum, seine Augen traten aus ihren Höhlen und dann sank er, haltlos wie eine Marionette mit abgeschnittenen Schnüren, in sich zusammen. Als Mohammed sich bückte, um seinen Puls zu fühlen, musste er feststellen, dass der Grande tot war. Das Herz des Don hatte aufgehört zu schlagen!
„Feigling! Stiehlt sich einfach davon.“ Mohammed war w ütend, andererseits war er sich sicher, dass die letzten Augenblicke im Leben des Don Ricardo für diesen Höllenqualen bedeutet haben mussten.
Enttäuscht sah er auf den Toten hinab. Das einst so überhebl iche Gesicht war von Angst verzerrt und selbst der Tod schien dem Don keine Erlösung gebracht zu haben. Seine Augen blickten starr und voll unbeschreiblichem Entsetzen ins Leere. Sein Tod war zwar schnell gekommen, aber grausam gewesen, also musste Mohammed sich mit der Hoffnung zufriedengeben, dass der Mensch zu seinen Füßen zumindest annähernd so gelitten hatte wie die, deren Leben er auf dem Gewissen hatte.
Schon wollte er sich abwenden, als ihm ein Gedanke in den Kopf schoss. Er wandte sich um und ging zu einem in die Mauer gehauenen Relief zwischen dem Fenster und dem Ausgang zum Balkon. Das Relief zeigte zwei ineinander verschlungene Rosen, gehalten von schlanken Frauenhänden. Der Rahmen des Kuns twerkes bestand aus sich wiederholenden, formvollendet miteinander verwobenen Schnörkeln. Am unteren Rand war in der Mitte des Rahmens eine weitere, kleinere Rose eingearbeitet. Auf diese Rose drückte Mohammed behutsam.
Mit leisem Klacken sprang der Rahmen ein wenig weiter aus der Wand. Mohammed griff an beide Außenseiten, zog vorsichtig daran und langsam löste sich der Rahmen von der Wand. Er ließ sich genau so weit beiseiteschieben, dass man mit den Händen hinter ihn fassen konnte. Er griff in den sich öffnenden Hohlraum und ein Lächeln glitt über seine Züge. Auf seinen Vater und dessen Ordnungssinn hatte man sich immer verlassen können. Sorgsam darauf achtend, nichts zu zerstören, zog Mohammed zwei Bündel und eine hölzerne Schatulle nacheinander langsam aus dem gut verborgenen Geheimfach.
Nachdem er sich versichert hatte, dass das Fach nun auch wirklich leer war, schloss er es sorgfältig wieder. Niemand, der an dem Relief vorbeiging, hätte ahnen können, was es damit auf sich hatte. Ein weiteres Mal dankte er dem Himmel für die Baukunst und die Fertigkeiten seiner Landsmänner.
Nach einem allerletzten Blick auf den am Boden liegenden Don R icardo lief Mohammed aus dem Zimmer, in dem sich plötzlich die Erinnerungen aus den Ecken zu winden schienen – und er wollte nicht erinnert werden! Er erspähte eine achtlos über eine Bank geworfene
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