Kinder der Dunkelheit
in einer Diwan-Decke und brachte sie zu uns, da er wusste, dass sie uns erkennen würde. Sie hat alles mit angesehen, sie sah ihre Mutter sterben und ihren Bruder. Wenigstens blieb es ihr erspart, den Tod Eures Vaters zu erleben und den Euren ...“ Pedro schwieg erschrocken und sah zu Mohammed auf.
Der noch immer Pedros Schultern Umklammernde richtete se inen Blick auf das kleine Haus, in der vagen Hoffnung, durch die Wände sehen zu können. Da erklang erneut die Kinderstimme und seine Hände begannen zu zittern.
„Sieh doch, Tia Soledad, Anita kann laufen, sieh doch, sie läuft an meiner Hand!“
„Das ist ja wunderbar, das hast du gut gemacht, mein Engel, sie liebt dich sehr, sie möchte einfach bei dir sein. Wenn ihr fertig angezogen seid, dann geht leise nach draußen und zeigt es Tio Pedro. Er wird staunen, wenn er das sieht. Ich komme so schnell wie möglich nach. Warte, meine Kleine, du musst noch etwas Warmes trinken, das ist wichtig für dich, komm zu mir.“
Mohammed zog Pedro in den Schatten des Stalles, wo sie vom Haus aus nicht gesehen werden konnten. „Was habt ihr vor? Wohin wollt ihr?“
„Es ist hier zu gefährlich für sie, Herr. Wenn der Don oder Juan oder einer der anderen Mörder sie finden, ist ihr Leben nichts mehr wert. Ich habe noch das ganze Geld Eures Vaters, das er mir gab für –“, Pedro stockte und tiefe Röte überzog sein Gesicht, „Ihr wisst schon … Und ich habe von Sebastian noch die Hälfte seines Soldes bekommen, um die Kleine in Sicherheit zu bringen. Bis gestern war sie zu schwach, um zu reisen, doch jetzt müssen wir fort. Ich werde sie alle zur Schwester meiner Frau bringen. Sie lebt weit von hier in Marseille. Ihr Mann hat eine große Schmiede und kann dort eine helfende Hand sehr gut gebrauchen. Dort sind wir sicher vor Juan, vor dem Don und allen anderen – und die Kleine ist weg von all dem Hass. Ich werde sie mit meinem Leben schützen, was auch geschieht, das schwöre ich Euch!“ Hoffnungsvoll sah er seinen ehemaligen Herrn an.
Der blickte aufgewühlt zum Haus hinüber. „Sie lebt, oh Gott, sie lebt! Pedro, nimm deine Familie, nimm meine kleine Prinzessin und geh so weit wie möglich fort von hier! Sie darf mich in diesem Zustand nicht sehen, sie muss ihren inneren Frieden finden, das wird sie mit dir, deiner Frau und eurer kleinen Tochter schaffen. Ich habe etwas, was ihr dabei helfen wird, bring mir bitte eine kleine Flasche mit frischem Wasser, schnell!“
Pedro eilte ins Haus und kehrte schon nach wenigen Sekunden mit einer kleinen grünen Flasche zurück, die er Mohammed mit fragendem Blick reichte.
„Spann fertig an, ich bin sofort zurück. Hab keine Angst mehr, ich werde dir nichts tun!“
Pedros Miene entspannte sich sichtlich und er beeilte sich, der Aufforderung Mohammeds Folge zu leisten. Der verschwand hinter dem Stall und rannte wie von Sinnen in die Dunkelheit.
„Hoppla, langsam, junger Freund! Wir konnten alles hören. Und ich ahne auch, worum du uns bitten willst. Gib schon her.“ Vittorios Stimme klang seltsam belegt bei diesen Worten. Er griff nach der Flasche, entkorkte sie und reichte Mohammed den Verschluss. Dann hob er sein Handgelenk zum Mund und öffnete sich die Pulsader. Langsam floss sein kostbares Blut in die Flasche. Als er befand, es sei genug, schloss er sich seine Ader und gab Mohammed die Flasche zurück.
„Sie sollen ihr das heute im Laufe des Tages zu trinken geben. Morgen wird die Kleine wieder gesund sein, ihre Narbe wird sich schließen. Aber die Narben in ihrem Geist werden lange bra uchen, bis sie heilen. Sie braucht alle Liebe dieser Welt. Mach ihm klar, was mit ihm geschieht, wenn sie die nicht bekommt.“ Vittorio sah so finster aus, dass Mohammed lächeln musste.
„Ich habe das Gefühl, sie wird sehr, sehr viel Liebe beko mmen.“
Dann lief er zurück zu Pedro, der hatte fertig eingespannt und den Wagen mit dem Wenigen beladen, das sie mitnehmen wollten. Nun stand er wartend, die Zügel schon in der Hand, neben dem Gespann. Mohammed reichte ihm die Flasche.
„Hier, dies ist eine ausgezeichnete Medizin. Sie wird sie heilen. Du und deine Frau aber, ihr müsst die Wunden auf ihrer Seele heilen, dafür habe ich kein Mittel. Das kann nur eure Liebe, Pedro.“
„Ja, Herr, Ihr könnt mir glauben, die wird sie bekommen, das schwöre ich beim Leben meiner kleinen Tochter.“ Pedro wollte weitersprechen, doch da öffnete sich zaghaft die Tür und die leise Mädchenstimme, die nach Pedro rief, brachte
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