Kinder der Dunkelheit
aufzurichten.
„Luca, bitte sag mir, was hier los war! Keine Wunde heilt so schnell und ich habe mir den Überfall ganz sicher nicht eingebildet.“ Ihre Hand lag noch immer dort, wo eigentlich zwei tiefe Stichwunden hätten sein müssen. „Luca, etwas ist hier nicht in Ordnung, sprich mit mir. Ich müsste tot sein, so viel ist mir klar.“
Sie hörte, wie Luca tief einatmete. „Sabine, bitte versprich mir, dass du mir jetzt einfach nur zuhörst. Ich erzähle dir unsere G eschichte und damit meine ich die von Raffaele, mir und vielen anderen unserer Art.“
„Eurer – Art?“
„Sabine, bitte!“
„Entschuldige.“
„Gut, du wärst jetzt tatsächlich tot. Verblutet, gestorben an gleich zwei inoperablen, tödlichen Wunden an deiner Herzwand.“
Als er ihren entsetzten Blick sah, hob er nur beschwörend die Hände und sie legte sich schweigend zurück in die weichen Kissen. „Raffaele ist ein sehr erfahrener Arzt und er hat Möglichkeiten, die ein normaler Mediziner nicht hat. Es gibt eine Substanz, die Wunden sehr schnell heilen lässt, die Organen dabei hilft, sich zu regenerieren, die Zellen so rasch erneuert, dass dir, wenn du es unter einem Mikroskop betrachten würdest, wohl vom bloßen Zusehen schwindlig würde.“
„Substanz? Welche Substanz soll das sein?“
Er verdrehte nur leicht die Augen, sprach aber ruhig und den Blick fest auf ihr Gesicht geheftet weiter. „Unser Blut! Nur unser Blut kann das bewirken. Das Blut der Unsterblichen, das in unseren Adern fließt und seit Jahrtausenden Leben erhält.“
Sabines Unterkiefer klappte nach unten und ihr Atem ging schneller, doch sie biss sich auf die Lippen und schwieg.
„Unsere Geschichte geht zurück bis zum Hof des Perserkönigs Dareios.“ In möglichst behutsamen und einfühlsamen Worten erzählte Luca nun die Geschichte, die er selbst vor über fünfhundert Jahren aus Raffaeles Mund gehört hatte. Ihm war klar, dass es so einfach nicht sein würde. Nur allzu gut erinnerte er sich noch an seine eigene, fast panische Reaktion. Daher erzählte er so ausführlich und so vernünftig wie möglich. Es dauerte lange, bis er zum Schluss kam: „Und hier sitze ich dir heute gegenüber.“
„Willst du mir damit sagen, dass du über zweitausend Jahre alt bist?“ Sabine keuchte und in ihrem Gesicht spiegelte sich einde utig Angst.
„Nein, ich bin nur fünfhundertzweiundvierzig Jahre alt.“ In Kurzfassung erzählte er ihr nun auch die Geschichte seines eigenen menschlichen Todes und endete mit den Worten. „Du wurdest heute durch das gleiche Blut gerettet, das auch mein Leben gerettet hat. Allerdings war es bei dir nur wenig davon. Du bist noch immer ein Mensch. Du wirst etwas sonnenempfindlich sein und dein Appetit eher gering. Allerdings wirst du dich wundern, wie gut du dich fühlst. Horch doch einmal in dich hinein!“
Sabine zitterte am ganzen Körper. Ein normaler Reflex wäre jetzt eigentlich wohl gewesen, einfach wegzulaufen. Doch das schien ihr schlicht abwegig und unsinnig. Vor einem Mann wie Luca lief man doch nicht weg! Noch einmal tastete sie nach den verschwundenen Einstichen.
„Das gibt es nicht, ich träume und ich muss sagen, es ist ein sehr seltsamer, aber gar nicht so schlechter Traum!“
Luca gelang ein vorsichtiges Lächeln und er griff nach ihren Händen. „Bitte, Sabine, versuche das zu tun, was ich sagte. Hör in dich hinein und sag mir, was du fühlst.“
Seine Hände waren stark, warm und schlossen sich tröstend um die ihren. Sabine war zwar aufgewühlt, lauschte aber folgsam in ihr Innerstes. „Ich fühle mich wie nach einem langen, erholsamen Schlaf. Aber der Gedanke, dass ich Blut getrunken haben soll… ich ekle mich vor Blut.“ Sie schüttelte sich.
Luca lächelte sie nachsichtig an. „Unser Blut ist nicht wie e ures. Es ist für eure Zungen wie Dessertwein. Ihr fühlt euch danach wie berauscht. Unser Blut ist für Menschen wie eine Droge.“
„Das glaube ich nicht. Aber was soll es. Solange ich keines mehr trinken muss!“
Luca rückte langsam näher. Noch immer hielt er zärtlich ihre Hände in den seinen. Sehr langsam und vorsichtig zog er sie zu sich heran. Sie konnte seinen unglaublich männlichen Duft riechen. Er roch nach Wald, nach frischer Wiese und ausgerechnet nach Zimtstangen, deren Geruch eindeutig zu ihren Lieblingsdüften gehörte. Als er seine Hand vorsichtig ausstreckte und seine langen, schlanken Finger von ihrem Kinn über ihren Hals hinab und dann über die Haut ihres Armes
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