Kinder der Dunkelheit
versiegte Sabines Blutfluss und ihre Wunden begannen sich zu schließen, doch die Besorgnis in Raffaeles Blick war nicht gewichen. „Luca, sie ist zu schwach. Sie braucht mehr!“
„Tu, was getan werden muss.“
Luca machte nur eine vage Handbewegung und Raffaele hob sein Handgelenk an Sabines Mund. Vorsichtig und zärtlich – so wie er nun einmal mit allen Frauen umging – umfasste er mit der freien Hand Sabines Hinterkopf und drehte ihr Gesicht zu sich, sodass das Blut in ihren leicht geöffneten Mund troff. Eine schier endlose Weile passierte nichts, doch dann schluckte sie. Zuerst nur schwach, doch schließlich gleichmäßiger, dann endlich schien Raffaele zufrieden. Behutsam senkte er Sabines Kopf wieder auf das Kissen und zog seinen Arm zurück. Er schloss seine Wunde, indem er nur kurz darüber leckte und fühlte gleichzeitig ihren Puls.
„Schwach, aber regelmäßig. Sie gehört nun dir.“
Luca atmete befreit auf, langsam wich die Anspannung aus seinen Gliedern der Erleichterung über Sabines Rettung in letzter Sekunde.
„Danke, Raffaele, allein hätte ich es nicht geschafft.“
Der weise Medicus stand grinsend neben Sabine, schälte sich aus seinem Kittel und brachte sein edles Spitzenhemd wieder in Form. „Nichts zu danken. Allerdings kann ich nicht versprechen, dass sie mir – nun, da sie meinen köstlichen Lebenssaft schmecken durfte – nicht bis ans Ende ihrer Tage verfallen sein wird. Ich könnte es ihr nicht verdenken, meinem Charisma entkommt man nicht so leicht.“
Luca konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Raffaele, selbst meine fast unendliche Dankbarkeit hat ihre Grenzen.“
„Schade, aber ich ahnte so etwas.“
Noch ehe Luca etwas erwidern konnte, war Raffaele bereits verschwunden. Luca sah hinunter auf die nun gleichmäßig und ruhig atmende Frau, die selbst jetzt, gerade dem Tod entronnen, bildschön war.
Liebevoll strich er ihr eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Er würde ihr einiges erklären müssen, das könnte ein wenig problematisch werden. Vorsichtig trug er sie in sein Zimmer und legte sie in sein riesiges Bett – nicht jedoch, ohne ihr vorsichtshalber vorher eines seiner Hemden anzuziehen. Dann setzte er sich ans Fußende, betrachtete sie und überlegte sich eine möglichst plausible Geschichte. Doch wie, bitteschön, erklärte man fünfhundertzweiundvierzig Jahre einigermaßen kurz und einleuchtend?
Schwarzer Samt, als eine weiche Decke über ihren Körper gebreitet, darin silberne Ornamente, die langsam größer wurden und leicht schillerten. Ihre Lider waren schwer wie Blei. Welch Wunder, soweit sie sich erinnern konnte, war sie tot! Thomas war dagewesen, er hatte sie erstochen. Nun war es ihm also doch noch gelungen, ihr Leben endgültig zu zerstören. Sie hatte gefühlt, wie mit dem vielen Blut, das sie verloren hatte, auch das Leben aus ihrem Körper gewichen war. Aber Moment, noch jemand war dort gewesen. Luca! Der Name stahl sich in ihr Gedächtnis und zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. Der schöne Fremde hatte sie in die Arme genommen und hochgehoben. Das Letzte, woran sie sich aus ihrem Leben erinnern konnte, waren seine traumhaften Augen. Gar kein übler Abschluss.
Ein leises Räuspern brachte sie dann doch dazu, ihre Augen zu öffnen. Der Himmel war gar nicht schlecht. Insbesondere, da ungefähr zwei Armlängen entfernt Luca saß und sie liebevoll betrachtete. Der Tod fühlte sich hervorragend an.
Augenblick mal! Luca? So gern sie es geglaubt hätte, doch dies konnte nicht der Himmel sein. Sie kniff die Augen wieder zu und öffnete sie erneut. Das Bild hatte sich nicht verändert, dort saß er, groß und schön, die langen Haare flossen ihm wie ein seidenes Cape über die Schultern. Ganz zu schweigen von diesem Lächeln .
„Wo bin ich? Was ist passiert?“
„Du bist in Sicherheit. Ich habe dich in unseren Palazzo gebracht und Raffaele hat dich zurückgeholt, er ist ein exzellenter Arzt. Und nein, du bist nicht tot, du lebst.“ Luca war nähergerückt, aber nur ein wenig. Und er schien nervös zu sein.
„Aber ich habe Unmengen Blut verloren! Ich habe es gespürt, es lief über meine Hand wie ein kleiner Wasserfall. Alles wurde zuerst weiß und dann langsam schwarz. Ich könnte schwören, dass ich gestorben bin.“
Ihre Augen weiteten sich und dann erst tastete sie nach den Stichwunden an ihrem Herz. Sie fühlte nichts. Keine Narbe, keinen Verband, rein gar nichts. Das war unmöglich! Sabine versuchte, sich etwas
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