Kinder der Nacht
ein, daß keine Aktion der Nomenklatura ohne seine persönliche Zustimmung stattfindet.«
Kate holte tief Luft. »Ist dieser Mann nicht nur Mitglied der Nomenklatura, sondern auch der Strigoi? Der Priculici?« Sie bemühte sich, die Stimme gelassen klingen zu lassen. »Der Vrkolak?«
Amaddi blinzelte und ließ das Streichholz sinken. Er fuhr Lucian auf rumänisch an. Kate hörte das Wort Strigoi. Lucian schüttelte den Kopf und sagte nichts.
»Was wissen Sie von den Voivoda Strigoi? « wollte Amaddi von ihr wissen.
In Wahrheit wußte Kate gar nichts. Als sie O'Rourke nach dem Sinn der rumänischen und slawischen Wörter gefragt hatte, die er bei seiner Verhandlung mit den Zigeunern um das Geld fallen ließ, hatte der Priester geantwortet: »Strigoi könnte man ungefähr mit Krieger übersetzen, aber es kann auch böse Geister, gemeine Gespenster oder Vampire heißen. Priculici und Vrkolak sind rumänische und slawische Bezeichnungen für Vampire.« Als Kate wissen wollte, weshalb diese Namen die Zigeuner so sehr beeindruckt hatten, hatte der Priester nur gesagt: »Die Rom sind ein abergläubisches Volk. Obwohl man munkelt, daß sie den Strigoi jahrhundertelang gedient haben, fürchten sie diese mythischen Herrscher von Transsilvanien. Sie haben ja gehört, wie der Woiwode Cioaba Devel sagte, als ich andeutete, Joshua könnte von den Strigoi sein.«
»Und er hat das Zeichen gemacht, um den bösen Blick abzuwehren«, hatte Kate gesagt. »Und dann ließ er uns gehen.« O'Rourke hatte nur genickt.
Amaddi stand auf, schlug mit der flachen Hand auf den Tisch und riß Kate so aus ihrem Nachdenken. »Ich habe gefragt, was Sie von den Voivoda Strigoi wissen, Frau.«
Kate unterdrückte den Impuls, vor dem Zorn des jungen Arabers zurückzuschrecken. »Ich glaube, sie haben mein Kind gestohlen«, sagte sie mit gelassener Stimme. »Und ich will es wiederhaben.«
Amaddi sah sie eine ganze Weile an, dann lachte er, daß es von den Betonwänden hallte. »Ausgezeichnet«, sagte er. »Angesichts dieses Mutes sollen Sie den Namen der Person für fünfhundert amerikanische Dollar bekommen. Und wir werden auch weiterhin Geschäfte miteinander machen ... wenn Sie überleben.« Er lachte wieder.
Kate zählte fünfhundert Dollar ab und behielt sie in der Hand, bis Amaddi einen Füller aus der Tasche holte und einen Namen und eine Adresse auf einen Fetzen Papier schrieb. Lucian las den Namen, sah Kate an und nickte. Kate überreichte das Geld.
Amaddi ging mit ihnen zur Tür. »Erzähl deiner amerikanischen Freundin von dem alten rumänischen Sprichwort«, sagte er zu Lucian. »Copilul cu mal multe moase ramana cu buricul ne taiat.«
Lucian nickte und ging voraus durch den dunklen Flur.
Im Dacia, bei strömendem Regen, atmete Kate inbrünstig aus. »Kennst du den Namen, den er geschrieben hat?«
»Ja«, sagte Lucian, dessen übliches Lächeln verschwunden war. »Er ist eine bekannte Persönlichkeit in Bukarest. Mein Vater kannte ihn.«
»Und du glaubst, er könnte tatsächlich ein Mitglied dieser geheimen Nomenklatura sein?«
Lucian wollte die Achseln zucken und hielt sich mit sichtlicher Anstrengung zurück. »Ich weiß nicht, Kate. Ich weiß es einfach nicht. Aber wir haben immerhin einen Ausgangspunkt.«
Sie nickte. »Und was war das für ein Sprichwort, mit dem Amaddi mich bedacht hat?«
Lucian ließ den Motor an und rieb sich die Wangen. »Copilul cu mai multe moase ramana cu buricul ne taiat ... das ist so ähnlich wie, wie geht es noch? ›Zu viele Köche verderben den Brei‹? Nur in diesem Fall würde man es übersetzen mit: ›Ein Kind mit zu vielen Hebammen bekommt die Nabelschnur nicht durchgeschnitten‹.«
»Ha-ha«, sagte Kate.
Sie fuhren schweigend durch die verlassenen Straßen zurück.
O'Rourke wartete in dem kalten, dunklen Kellerraum, als sie zurückkamen. Seine Augen waren blutunterlaufen, und er sah unrasiert aus, trug aber immer noch den schwarzen Anzug mit dem Priesterkragen. Er fläzte sich auf dem braunen Lehnstuhl und sah Lucian nur an, während die beiden geschäftig ein Kohlefeuer im Nebenzimmer entfachten und einen Topf Suppe auf die Heizplatte stellten.
»Haben Sie Popescu gefunden?« fragte Kate.
»Nein. Ich war den ganzen Tag in Tîrgovişte.«
»Tîrgovişte?« Dann fiel Kate wieder ein, daß sich in dieser etwa fünfzig Meilen nordwestlich von Bukarest gelegenen Stadt das Waisenhaus befand, aus dem Joshua verlegt worden war. »Haben Sie etwas herausgefunden?«
»Ja«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher