Kinder der Nacht
durch den Dichter Beheim in Frage zu stellen. Niemand hat je die vollständige Schilderung gehört. Bis heute.
Die Umstände waren folgendermaßen: Damals machte sich Sigismund von Lamberg, der Bischof von Ljubljana, das weitverbreitete Vorurteil zunutze, die Mönche der slowenischen Abtei Gorrion in der Stadt Gornijgrad hätten sich die verbotenen Reformen des Hl. Bernhard zu eigen gemacht, und diesen Vorwand nutzte er, um die Mönche aus dem Kloster zu vertreiben, damit er das Gut selbst in Besitz nehmen konnte. Drei dieser Mönche - Bruder Hans der Pförtner, Bruder Michael und Bruder Jakob - flohen nach Norden in ein Franziskanerkloster in meiner Hauptstadt Tîrgovişte.
Obwohl ich später gezwungen war, aus politischen Gründen zum Katholizismus zu konvertieren, haßte ich diese abscheuliche Religion damals, und auch heute liegt mir nichts daran. In den damaligen Zeiten war die Kirche lediglich eine rivalisierende Macht - und eine ruchlose obendrein -, auch wenn sie sich bemühte, ihren habgierigen, ränkeschmiedenden Machenschaften den Deckmantel der Barmherzigkeit umzuhängen. Ich bezweifle, daß sich daran etwas geändert ha t. Und die Franziskaner waren die schlimmsten. Ihr Kloster in Tîrgovişte war ein Pfahl in meinem Fleische, den ich duldete, weil es mehr politische Schmerzen gebracht hätte, ihn herauszuziehen, als das Entfernen wert gewesen wäre. Das gewöhnliche Volk lieb te die speichelleckerischen, betenden, fastenden Franziskaner, obwohl die Mönche die Leute mit ihren Almosen und Betteleien und ihrem unermüdlichen Winseln nach mehr Geld ausbluteten. Damals war die Kirche in der Walachei - besonders dieses verdammte Franz iskanerkloster, das unerklärlicherweise trotz meiner erbittertsten Bemühungen bis auf den heutigen Tag in Tîrgovişte steht - ein Parasit, der mit Blutgeld aufgebläht und fett wurde, das meinem Königreich besser zugute gekommen wäre, wäre es mir zugeflossen .
Damals konnten die Franziskaner die Benediktiner nicht ausstehen, und ich vermute, daß sie den drei flüchtigen Benediktinermönchen nur Unterschlupf gewährten, um mich weiter zu reizen. Was ihnen auch gelang.
Ich begegnete Bruder Jakob, Bruder Michael und Bruder Hans, dem Pförtner, etwa eine Meile vom Kloster entfernt, als ich von der Jagd zum Palast zurückkehrte. Ihr nicht einmal halbherzig ehrerbietiges Gebaren erboste mich, daher befahl ich dem namens Michael - dem größten der drei -, daß er noch an eben diesem Nachmittag zu einer Audienz in meinem Palast zu erscheinen hatte.
Beheim berichtet, ich hätte den Mönch mit einem groben Verhör eingeschüchtert, aber in Wahrheit hatten der dürre Mönch und ich ein nettes Schwätzchen bei warmem Bier. Ich sprach leise und höflich und ließ mir meine tief verwurzelte Abscheu vor dieser korrupten Religion nicht anmerken. Meine Fragen waren lediglich höfliche theologische Erkundigungen. Bruder Michael erwärmte sich sichtlich für seine Predigten, so wie das Bier seine Eingeweide erwärmte, aber ich konnte das panische Blinzeln seiner kleinen Frettchenaugen sehen, als meine Fragen persönlicher wurden.
»Demnach sind also die Drangsale dieses Lebens lediglich ein unangenehmes Vorspiel zum verheißenen nächsten Leben?« fragte ich leise.
»O ja, mein Fürst«, stimmte der dürre Mönch geflissentlich zu. »Unser Erlöser hat das ausdrücklich bestätigt.«
»Dann«, fuhr ich fort und schenkte dem Mann mehr Bier ein, »könnte man jemanden, der sich befleißigt, diese Zeit der Pein und Qual zu verkürzen, indem er den leidgeprüften Sterblichen seiner Erlösung näherbringt, bevor er Zeit findet, weitere Sünden zu begehen, als Wohltäter betrachten?«
Bruder Michael konnte ein verhaltenes Stirnrunzeln nicht verbergen, als er die Lippen zu seinem Bier führte. Aber das Schlürfen, das er von sich gab, hätte man als Zustimmung werten können. Ich beschloß, es dahingehend zu interpretieren.
»Demnach«, fuhr ich fort, »müßte ein armseliger Diener des Herrn wie ich selbst, der Hunderte Seelen - manche behaupten Tausende - ihrer Erlösung näher brachte, bevor sie die Möglichkeit hatten, ihre Seelen noch weiter zu beflecken ... würdest du nicht sagen, daß ich der Retter dieser Seelen bin?«
Bruder Michael befeuchtete seine ohnedies bereits feuchten Lippen. Möglicherweise hatte er von meinem zuweilen garstigen Sinn für Humor gehört. Vielleicht tat auch das Bier seine Wirkung. Wie auch immer, es gelang ihm nicht so recht, ein Lächeln zustande zu
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