Kinder der Nacht
einen Anflug von Panik, daß sie verschlafen und die Zeremonie verpaßt haben könnten, aber dann sah Kate die trüben Schleier der Dämmerung vor dem schmutzigen Fenster und wußte, daß die Sonne gerade untergegangen war. Ihnen blieben noch Stunden bis Mitternacht.
O'Rourke war eingeschlafen - Kate verspürte keinen Sekundenbruchteil Verwirrung darüber, wo sie sich befand, oder mit wem -, aber er hatte sich im Schlaf umgedreht, so daß er nun ihr zugewandt lag. Kate hatte den verbundenen Arm immer noch um ihn gelegt, aber O'Rourke hatte sich unter der schmalen Decke dichter an sie gekuschelt und die Hände vor sich verschränkt, so daß sie in dem warmen Tal zwischen ihren Brüsten lagen. Es war unmöglich, daß er vorgab zu schlafen: O'Rourke schnarchte leise, den Mund hatte er so verwundbar arglos geöffnet, wie Kate es so oft aufgefallen war, wenn sie nach Joshua gesehen hatte.
Kate studierte O'Rourkes Gesicht im spärlichen Licht: seine Lippen waren voll und schön, die Wimpern lang - sie konnte sich vorstellen, wie niedlich er als Junge ausgesehen haben mußte -, und in seinem braunen Bart fanden sich rötliche und vorzeitig ergraute Strähnen. Sein entspannter Gesichtsausdruck machte ihr deutlich, wieviel Belastung in seinem offenen und freundlichen Antlitz geschrieben stand, als würde Mike O'Rourke eine schwere Last mit sich herumschleppen, die er nur im Schlaf ablegen konnte.
Kate sah nach unten, konnte aber die Beinprothese nicht in der Lücke sehen, wo die schmale Decke auseinandergerutscht war. Aber sie sah die lange Rundung seines nackten Schenkels, wo sein Bein neben ihrem lag.
Ohne darüber nachzudenken - weil sie es sich anders überlegt haben würde, hätte sie nachgedacht -, beugte sich Kate über ihn, küßte O'Rourkes Wange und - als er die Augen aufschlug und überrascht den Mund zumachte - zärtlich seine Lippen. Er wich nicht zurück. Kate rückte einen Moment ab und sah ihm in die Augen, erblickte etwas Wichtigeres als Überraschung darin und brachte das Gesicht wieder dichter über seines. Dieses Mal öffnete sie die Lippen nur Sekunden, bevor er es tat. Sie zog ihn mit der verbundenen linken Hand dichter an sich, spürte seine noch gefalteten Hände zwischen den Brüsten und an ihrem Schenkel seinen Penis, der sich langsam, aber konstant versteifte.
Sie rangen keuchend nach Luft, dann küßten sie sich wieder, und dieses Mal wurde etwas unendlich Komplexeres als ihr beiderseitiges Verlangen und ihre Erregung durch den Kuß vermittelt - es war ein langsames und gleichzeitiges Öffnen der Gefühlsregungen, eine Resonanz, die so wahrhaftig war wie das Klopfen ihrer Herzen.
Kate wich zurück; ihre Sinne schwammen buchstäblich in einem Strudel von Gefühlsregungen. »Es tut mir leid, ich ...«
»Ssch«, flüsterte O'Rourke, hob die Hände zu ihrem Hinterkopf, schob die Finger unter das Haar und zog sie zu einem weiteren Kuß an sich.
Kate glaubte, die feuchte Vollkommenheit dieses Kusses würde nie zu Ende gehen. Als er doch vorbei war, zitterte ihre Stimme. »Ich meine, es ist in Ordnung, wenn wir es machen. Ich meine, ich habe ein IUD ... aber ich würde verstehen, wenn du ...«
»Ssch«, flüsterte er wieder und zog ihr den Pullover über den Kopf. Ihre Brustwarzen reagierten in dem Augenblick auf die kalte Luft, als ihre Augen bedeckt wurden, dann konnte sie wieder sehen, und er zog die Decke zurecht. »Psst«, sagte er, legte ihr einen Finger auf den Mund und griff mit der anderen Hand nach ihrem Slip, zog ihn hinunter und weg.
»Wenn du nicht willst, macht es n ...«, begann sie mit belegter Stimme.
»Sei still«, flüsterte O'Rourke. »Bitte.« Er küßte sie wieder, dann glitt er mit dem linken Arm hinter sie, legte ihr kräftige Finger auf den Rücken und rollte sich halb auf sie, wobei er sein Gewicht mit dem linken Arm abstützte.
»Bitte«, wiederholte sie, dann sagte sie nichts mehr, hob das Gesicht zu seinem und küßte ihn, während sie mit einer Hand seinen Hinterkopf hielt und mit der anderen an seinem Rücken hinab zum Ansatz der Wirbelsäule glitt. Dort spürte sie Narben, die meisten klein, aber mindestens eine lang und unregelmäßig. Sie spürte ganz kurz die Berührung der Prothese, als er sich hochstützte und zwischen ihre Beine glitt, aber dann bemerkte sie nur noch die Wärme seines restlichen Körpers, seine Küsse und seine Erektion, die sich warm und beharrlich an die Wölbung ihres Bauches drückte.
Kate stöhnte und bewegte die rechte Hand
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