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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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verstummte er. Er strich ihr über die Wange. »Es tut mir leid. Hätte ich sollen. Ich dachte eben, es wäre vorbei, als du mit Joshua das Land verlassen hattest.«
    Kate hatte die Fäuste geballt. »Aber du hast die Gefahr gekannt! Du hast gewußt, daß sie mich verfolgen würden!«
    »Nein!« Er ging einen Schritt auf sie zu, blieb aber stehen, als sie zurückwich. »Nein. Ich wußte nicht, daß das Kind etwas mit den Strigoi zu tun hatte. Das mußt du mir glauben, Kate.«
    Sie sah ihn an. »Du hast gesagt, daß Lucian es gewußt hat. Er und der Orden des Drachen, oder wie auch immer er heißt.«
    O'Rourke schüttelte den Kopf. »Einige der Mönche, die heute hier verhaftet worden sind, gehören dem Orden des Drachen an. Die Organisation gibt es wirklich - im geheimen schon seit Jahrhunderten -, aber ich hatte keine Ahnung, daß Lucian mit ihr in Verbindung steht. Ich bin immer noch nicht überzeugt. Das war einer der Gründe, weshalb ich heute morgen in aller Frühe Pater Stroicescu besucht habe.«
    »Und was hat er gesagt?«
    O'Rourke breitete die Arme aus. »Er gehört dem Orden nicht an. Der Priester, der Mitglied ist, wurde hier in Tîrgovişte festgenommen. Ich weiß nicht, ob Lucian lügt.«
    »Warum sollte er. Schließlich hat er mitgeholfen, oder nicht?«
    O'Rourke sagte nichts.
    »Na gut«, hatte Kate gesagt. »Ich vertraue dir vorerst.« Sie machte die Augen zu. Ihr Körper spürte immer noch das Gefühl seines Penis‘ in ihr. Mein Gott, was habe ich getan? »Gehen wir zum Gelände.«
    »Später«, sagte O'Rourke, und sie konnte sehen, wie er zitterte. Ihre Kleidung war noch nicht völlig trocken, und der Nachtwind war kalt. »Wenn die VIPs eintreffen.«
     
    Die VIPs trafen nacheinander eine Stunde vor Mitternacht ein. Die Schlange der Mercedes glitt zwischen Absperrungen und Wachen hindurch und verschwand im Haupttor. Kate konnte widerscheinendes Fackellicht im oberen Drittel des Chindia-Turms erkennen, der über der Mauer des Anwesens zu sehen war. »Es ist Zeit«, flüsterte sie.
    O'Rourke nickte nervös und führte sie die rissige Treppe zu der Zisterne im dunklen Hof hinunter. Sie konnte selbst im trüben Licht sehen, wie blaß er war. »Was ist denn?« fragte sie.
    O'Rourke biß sich auf die Lippe. »Tunnel«, sagte er. Kate holte die Taschenlampe hervor, die sie in die Tasche eingepackt hatte. »Wir haben die hier.«
    »Es ist nicht wegen der Dunkelheit«, sagte er mit zusammengebissenen Kiefern. Kate sah, daß seine Zähne klapperten und er einen Schweißfilm auf Stirn und Oberlippe hatte. »Du bist krank«, flüsterte Kate.
    »Nein.« O'Rourke wandte sich von der Zisterne ab und lehnte sich an die Wand. »Der Tunnel ...« Er knirschte mit den Zähnen.
    Da begriff Kate. »Du hast gesagt, im Krieg ... Vietnam ... warst du eine Tunnelratte. Da hast du ...«
    O'Rourke wischte sich den Schweiß vom Gesicht. »Ich habe einen Tunnelkomplex untersucht, den unser Trupp in der Nähe eines Dorfes gefunden hatte.« Seine Stimme bebte, dann wurde sie wieder fester. »Tunnel, die von anderen Tunnels abzweigten. Bazella und seine Jungs hatten Spreng- und Splittergranaten geworfen, aber es gab so viele Windungen, so viele Höhen und Tiefen ... Wie dem auch sei, ich war im NVA-Hauptquartier ... Lazarett, Baracken, und so weiter. Aber die NVA - die regulären nordvietnamesischen Einheiten - waren ausgeflogen. Abgesehen von einem verwesenden Leichnam, der ein paar Meter vom Ausgang zum Flußufer entfernt im Tunnel verkeilt war. Ich dachte mir, ich könnte mich daran vorbeidrücken ...« O'Rourke verstummte und sah ins Leere.
    »Der Leichnam war eine Falle«, flüsterte Kate. Sie spürte die Erinnerung an die Narben auf seinem Rücken und den Oberschenkeln in den Fingerspitzen.
    O'Rourke nickte. »Sie hatten den Magen des Mannes ausgehöhlt und mit C-4 und einem einfachen Stolperdraht als Zünder gespickt. Als ich sein Bein berührte, hat er meines weggepustet.« Er versuchte zu lachen, aber es hörte sich hohl und traurig an.
    Kate rückte näher zu ihm und drückte das Gesicht an seine Wange.
    »Es ist keine ausgewachsene Klaustrophobie«, flüsterte er. »Ich meine, du hast mich in Flugzeugen und Zügen erlebt. Solange ich einen Weg hinaus sehen kann ...« Er verstummte. »Es tut mir leid.«
    »Nein«, flüsterte Kate. »Schon gut. Ich finde, es ist besser, wenn du hier wartest. Ist auch logischer. Wenn ich in Schwierigkeiten gerate, muß jemand hier draußen sein, der Hilfe holen kann.«
    Dieses Mal lachte

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