Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
Straße. »Es geht um die Ausrottung der Strigoi -Familie«, sagte er. »Samt und sonders. Heute nacht.«
     
    Auf dem Kilometerstein stand COPŞA MICA - 8 KM. Die Straße wand sich am Fluß Tirvana Mare entlang durch einsame Hochebenen ohne Bauernhäuser, ohne Dörfer und ohne Verkehr, abgesehen von vereinzelten Wagen mit Gummireifen. Die Wolken hingen tief, kalter Wind wehte Blätter über die Straße und schlug wie mit Fäusten auf den kleinen Dacia ein.
    »Erzähl mir alles«, verlangte Kate.
    Lucian ließ die Straße nicht aus den Augen. »Das wäre Dummheit, Kate. Es ist unwahrscheinlich, daß sie uns heute noch verfolgen - sie werden erst in mehreren Stunden merken, daß du nicht da bist - und bis dahin sind wir weit weg von hier. Aber wenn wir geschnappt werden ...«
    »Erzähl mir alles«, sagte Kate. Ihre Stimme hatte einen Befehlston angenommen, den sie in vielen Stunden in Notaufnahmen, Operationssälen und Konferenzzimmern geschärft hatte.
    Lucian sah sie an. »Es wäre wirklich eine Dummheit, zu ...«
    »Erzähl mir alles.« Ihr Tonfall duldete keinen Widerspruch.
    Lucian leckte sich die Lippen und strich den Bürstenschnitt glatt. »Es ist alles vorbereitet, Kate. Heute nacht wird die Strigoi- Familie sterben. Alle.«
    »Wie?« sagte Kate tonlos.
    Lucian schüttelte den Kopf, redete aber weiter. »Sie versammeln sich im Schloß über dem Argeş ... es heißt Zitadelle Poienari ... die uralte Festung, die Vlad vor mehr als fünfhundert Jahren neu aufbauen ließ. Alles ist vorbereitet ... sie werden die Zeremonie nicht überleben.«
    »Wie wurde es vorbereitet?« Ihre Stimme drückte Zweifel aus.
    »Die Zitadelle steht seit den Tagen von Vlad leer und wird gemieden«, sagte Lucian. »Die Einheimischen fürchten sie immer noch. Die Regierung beachtet sie nicht. Das Tourismusbüro führt die wenigen Touristen zu falschen ›Schloß Draculas‹ wie Burg Bran bei Braşov, statt die wahre Stätte am Argeş preiszugeben.«
    »Und?« fragte Kate.
    »Diese Zeremonie wurde schon seit Jahren erwartet. Ceauşescu begann vor mehr als drei Jahren mit dem Wiederaufbau der Zitadelle Poienari. Die neue Regierung hat ihn trotz des wirtschaftlichen Zusammenbruchs beendet. Die Strigoi verlangten es.« Er machte eine Pause und sah sie an, dann fuhr er fort: »Bei den Renovierungsarbeiten wurde Sprengstoff plaziert.« Er holte tief Luft. »Die Zünder sind so eingestellt, daß sie heute nacht während der Zeremonie hochgehen sollen. Der gesamte Berg ist verkabelt. Keiner der Strigoi wird lebend herauskommen.«
    Kate verschränkte die Arme. »Du lügst schon wieder.«
    Ihr Verhalten schien ihn zu verblüffen. »Nein, Kate, ich schwöre ...«
    »Du mußt lügen. Die Strigoi würden nie zulassen, daß jemand einfach so die Stätten ihrer Zeremonie besucht. Außerdem würden ihre Wachen die gesamte Anlage vor der Zeremonie durchsuchen. Sie sind grausame Dreckskerle, aber sie sind keine Idioten.«
    Sie fuhren in das Bergdorf Copşa Mica. Dabei handelte es sich um eine Industriestadt, wie sie Kate noch nicht gesehen hatte: die Straßen waren schwarz vor Ruß, die Häuser waren schwarz, die Menschen, die auf den Straßen spazierengingen, waren grau und schwarz, und aus hohen Schornsteinen quoll weiter Schmutz. Lucian fuhr mit dem Auto auf ein unebenes Areal zwischen Eisenbahnschienen. »Kate«, sagte er, »es ist wahr. Ich schwöre es.«
    Sie sah ihn nur an.
    Er seufzte. »Die Renovierung wurde von den Anführern der Strigoi -Familie genehmigt, weitgehend von Vernor Deacon Trents Stiftung finanziert und von der Baufirma von Radu Fortuna ausgeführt.«
    Kate hatte die Arme immer noch vor der Brust verschränkt. »Und du möchtest mir weismachen, daß Fortuna deine angeblichen Bomben einfach so übersehen hat. Oder soll es so vonstatten gehen wie das Attentat auf Hitler - ein Überläufer der Strigoi mit einer Bombe im Aktenkoffer?«
    Lucian hielt sie an den Armen fest, ließ sie aber sofort wieder los, als er spürte, wie sie erstarrte. »Tut mir leid. Hören Sie zu, Kate ... Fortuna hat die Baustelle so gut wie nie besucht. Der größte Teil der Arbeiten wurde von ungarischen Maurern ausgeführt. Ich habe im Sommer als Aufseher über das Projekt gearbeitet ...« Er verstummte, als er ihren ungläubigen Ausdruck sah. »Die Strigoi vertrauen mir, Kate. Ich war als Teenager ein internationaler Kurier gewesen. Ich war ehrgeizig und habgierig und nur denjenigen gegenüber loyal, die über ausreichend Macht verfügten, mir zu helfen.

Weitere Kostenlose Bücher