Kinder der Nacht
dabei überhaupt nicht ins Spiel. Er wird nicht von Menschenblut abhängig werden ... von Menschenleben. Für ihn wird das künstliche Hämoglobin wie Insulin sein, nichts weiter. Sein Körper könnte uns ein Heilmittel für Krebs, für AIDS zur Verfügung stellen, und er müßte kein Strigoi werden.«
Lucian strich ihr über die Wange. »Es ist zu spät, Kate.«
Da kippte sie um, drehte die Augen unter zitternden Lidern nach oben und rutschte von dem Vinylsitz herunter gegen die Tür.
»Kate!« Lucian beugte sich über sie und hob ihr den kraftlosen Kopf.
Kate zog ihm die Pistole aus dem Gürtel und drückte ihm die Mündung auf die Brust. »Setz dich hin, Lucian.«
»Kate, um Himmels willen ...«
»Setz dich«, schnappte sie.
Er gehorchte und legte die Hände auf das Lenkrad. »Sie werden mich nicht erschießen.«
Sie wartete, bis er sie anschaute, damit er ihr in die Augen sehen konnte. »Ich werde dich nicht töten, Lucian. Aber ich werde auf dich schießen. Ins Bein. Nicht in die Schlagader, aber ich werde einen wichtigen Knochen zertrümmern. Damit du mir nicht folgen kannst.«
»Ihnen folgen? Wohin?«
»Ich gehe Joshua holen.«
Lucian lachte. Es war ein kläglicher Laut. »Kate, darf ich Ihnen etwas erklären, ja?«
Sie sagte nichts.
»Es geht hier nicht nur um den Sprengstoff oder die üblichen Sicherheitsmaßnahmen der Strigoi«, sagte er in dem Schweigen. »Dies ist eine bedeutende Nacht. Strigoi aus aller Welt, die in den ersten drei Nächten nicht dabei waren, werden heute anwesend sein. Wie Ostern für gläubige Christen. Da oben werden mindestens fünfhundert Menschen sein. Und alle werden ihre eigenen Wachen dabeihaben.«
Kate hielt die Pistole geradeaus.
Lucian strich sich wieder mit der Hand durch das Haar. »Kate, wir würden nicht einmal dorthin kommen. Es führt nur eine Straße zu der Zitadelle am Argeş ... Landstraße Sieben C, und verglichen mit der sieht diese lausige Straße hier wie eine Ihrer amerikanischen Interstates aus. Die Landstraße Sieben C ist in den Făgăraş-Bergen nördlich des Schlosses wegen früher Schneefälle und Erdrutsche gesperrt. Sie kann nur von Juni bis August befahren werden, und selbst dann riskiert man auf dieser Straße sein Leben. Sogar die Strigoi fliegen oder nehmen die Autobahn durch Braşov oder Sibiu.«
Kate hatte den Finger um den Abzug gelegt.
Lucian hielt beide Hände vor sich und bat mit nach außen gekehrten Handflächen um mehr Zeit. »Nördlich der Zitadelle ist die Straße gesperrt, dort sind Hunderte Soldaten wegen des großen Wasserkraftwerks am Argeş, oberhalb des Schlosses stationiert.«
»Die Strigoi müssen auch hin«, sagte Kate.
Lucian nickte. »Die fahren von Bukarest und Rîmnîcu Vîlcea aus hin. Ja. Aber die Straße wird schon Meilen vor der Zitadelle gesperrt sein. Von der Stadt Curtea de Argeş an werden Straßensperren und Kontrollen errichtet sein. Niemand, der kein Strigoi ist, wird durchkommen.«
»Wie weit würde ich kommen, bevor die Straßensperren anfangen?« fragte Kate.
Lucian zuckte die Achseln. »Woher, zum Teufel, soll ich das wissen? Das Dorf Căpăţîneni liegt nur vier oder fünf Kilometer unterhalb des Schlosses.«
»Wenn ich bis dahin komme«, sagte Kate, »könnte ich die letzten paar Meilen zu Fuß gehen.«
»Scuzyţi-mă, Domnul, Politişt, puteţi să-mi arataţi cumsăjung Poienari Citadel?« sagte Lucian im Falsett. »Mă duc la plimbare.«
»Was?« sagte Kate. »Was ist mit der Zitadelle?«
»Nichts«, sagte Lucian. »Ich habe mir nur vorgestellt, wie Sie sich nach der Richtung erkundigen und den Strigoi -Wachen erzählen, daß Sie nur einen Spaziergang machen.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Sie können nicht zu der Zitadelle kommen, Kate. Wenn doch, würden sie Sie einfach schnappen und für ihr verdammtes Sakrament verwenden. Sie können ihnen das Baby unmöglich wegnehmen.«
Kate ließ die Pistole nicht sinken. »Vielleicht würde es sich lohnen, wenn man nur dafür sorgen könnte, daß sie ihn nicht zu einem vollwertigen Strigoi machen.«
Er sah sie stirnrunzelnd an. »Sie meinen, das Kind töten, bevor sie es trinken lassen können? Aber warum, Kate? Die Zeremonie fängt kurz vor Mitternacht an. Die Strigoi sind eine pünktliche Rasse. Die Weihe soll etwa eineinhalb Stunden dauern. Der Sprengstoff wird fünfundzwanzig Minuten nach zwölf gezündet. Die Chancen stehen gut, daß sie nicht zum sogenannten Sakrament der Zeremonie gekommen sein werden, bis ... bis es
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