Kinder der Nacht
Boulevardul Nicolae Bălcescu, und nun hielt der Bus mit quietschenden Reifen vor dem höchsten Gebäude der ganzen Stadt, dem zweiundzwanzigstöckigen Hotel Intercontinental.
»Morgen, meine Herren«, sagte Fortuna, der sich erhob und uns den Weg zu einer hellerleuchteten Halle wies, »wir werden das neue Rumänien zu sehen bekommen. Ich wünsche Ihnen allen einen traumlosen Schlaf.«
Kapitel 2
Unsere Gruppe verbrachte den nächsten Tag mit Begegnungen mit ›Offiziellen‹ der Übergangsregierung, überwiegend Mitglieder der erst jüngst zusammengeflickschusterten Nationalen Rettungsfront. Der Tag war so dunkel, daß die Straßenlaternen auf dem breiten Boulevardul N. Bălcescu und dem Boulevardul Republicii angingen. Die Gebäude waren nicht geheizt - jedenfalls nicht spürbar -, und die Männer und Frauen, mit denen wir uns unterhielten, sahen allesamt fast identisch aus in ihren zu großen, grauen Wollmänteln. Als der Tag zu Ende war, hatten wir mit einem Giurescu gesprochen, mit zwei Tismaneanus, einem Borossoiu, der, wie sich herausstellte, überhaupt kein Sprecher der neuen Regierung war - er wurde Augenblicke nachdem wir uns verabschiedet hatten, festgenommen, - sowie mehreren Generälen, darunter Popascu, Lupoi und Diurgiu, und zuletzt mit den tatsächlichen Staatsoberhäuptern, zu denen Petre Roman gehörte, Premierminister der Übergangsregierung, und Ion Iliescu und Dumitru Mazilu, der unter der Regierung Ceauşescu Präsident und Vizepräsident gewesen war.
Ihre Botschaft war einhellig dieselbe: Wir hatten den Zuspruch der Nation, und jedwede Empfehlung für Hilfeleistungen, die wir an unsere verschiedenen Institutionen weitergeben könnten, würde man auf ewig zu schätzen wissen. Die Beamten behandelten mich ganz besonders zuvorkommend, weil sie meinen Namen kannten und ich eine unvorstellbare Menge Geld repräsentierte, aber selbst diese höfliche Aufmerksamkeit hatte etwas Zerstreutes an sich. Sie waren wie Männer, die inmitten des Chaos schlafwandelten.
Als wir an diesem Abend zum Intercontinental zurückkehrten, wurden wir Zeugen, wie eine Menschenmenge - überwiegend Büroangestellte, die die Steinwaben der Innenstadt verließen und Feierabend machten - drei Männer und eine Frau herumschubsten und verprügelten. Radu Fortuna lächelte und deutete auf die große Plaza vor dem Hotel, wo die Menschenmenge größer wurde. »Da ... letzte Woche auf dem Universitätsplatz ... als die Leute zum Demonstrieren und Singen kamen, ja? Panzer der Armee überfahren Menschen, erschießen noch mehr. Das da sind wahrscheinlich Spitzel von Securitate.«
Bevor der Bus vor dem Hotel anhielt, sahen wir noch flüchtig uniformierte Soldaten, die die mutmaßlichen Spitzel abführten, wobei sie sie mit Gewehrkolben antrieben, während die Menge sie weiterhin anspuckte und auf sie einschlug.
»Man kann kein Omelette machen, ohne ein paar Eier zu zerschlagen«, murmelte der Professor emeritus, worauf Pater O'Rourke ihn mißfällig ansah und Radu Fortuna zustimmend kicherte.
»Man sollte meinen, Ceauşescu wäre besser auf eine Belagerung vorbereitet gewesen«, sagte Dr. Aimslea an diesem Abend nach dem Essen. Wir waren im Speisesaal geblieben, weil es dort wärmer als in unseren Zimmern zu sein schien. Kellner und ein paar Militärs huschten unablässig durch den großen Raum. Die Reporter hatten ihr Abendessen hastig und mit größtmöglichem Lärm hinuntergeschlungen und waren kurz danach aufgebrochen, um irgendwo hinzugehen, wo Reporter trinken und zynisch sein können.
Radu Fortuna leistete uns beim Kaffee Gesellschaft und ließ gerade eben sein patentiertes Zahnlückengrinsen sehen. »Sie möchten sehen, wie vorbereitet Ceauşescu war?«
Aimslea, Pater O'Rourke und ich bestätigten, daß wir das gerne sehen würden. Carl Berry beschloß, auf sein Zimmer zu gehen, wo er versuchen wollte, ein Gespräch mit den Staaten zu bekommen, und Dr. Paxley folgte ihm und brummelte etwas von früh zu Bett gehen.
Fortuna führte uns drei in die Kälte hinaus und durch dunkle Straßen zur rußgeschwärzten Fassade des Präsidentenpalastes. Ein Angehöriger der Miliz trat aus dem Schatten, hob eine AK-47 und bellte einen Befehl, aber Fortuna unterhielt sich leise mit ihn und wir durften passieren.
Im Palast selbst brannte kein Licht, abgesehen von gelegentlichen Feuern in Ölfässern, wo Angehörige der Miliz oder reguläre Soldaten schliefen oder sich zusammendrängten, um sich zu wärmen. Überall lagen
Weitere Kostenlose Bücher