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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Mauberly.
    Kate sprang auf. »Nein! Bitte ... ich meine ...« Sie beruhigte sich. »Ken, überlegen Sie doch einmal ... wir experimentieren nicht mit einem menschlichen Wesen.«
    Mauberly runzelte die Stirn. »Aber Ihr Sohn ...«
    »Wurde einigen komplizierten, aber sehr grundlegenden medizinischen Tests unterzogen«, sagte Kate. »Und er wird sich noch einigen unterziehen müssen. Blut- und Urintests. Noch einem CT-Scan, Ultraschall, möglicherweise MR, und möglicherweise Isotopenszintigraphie, wenn wir feststellen, daß sein Knochenmark etwas damit zu tun hat - obwohl ich das gerne vermeiden würde, weil Aufnahmen von Knochen schmerzhaft sein können -, aber wir führen keine Experimente durch! Lediglich übliche Standarddiagnosetechniken, um Art und Grad der Immunschwäche zu isolieren, an der der Patient leidet. Der Kontrollrat wird uns monatelang die Hände binden ... vielleicht jahrelang.«
    »Ja, aber ...«, sagte Mauberly.
    » Wenn wir den R 3 -Retrovirus isolieren, und wenn wir ihn klonen können, um ihn an HIV oder onkologische Forschungen anzupassen«, flehte Kate, »dann können wir den Rat informieren. Dann müßten wir es. Aber dann bestünde kein Zweifel mehr an der Notwendigkeit von Versuchen an Menschen.«
    Ken Mauberly nickte, stand auf und kam um den Schreibtisch zu ihr herum. Kate erhob sich ebenfalls.
    Erstaunlicherweise gab er ihr einen Kuß auf die Wange. »Gehen Sie jetzt«, sagte er. »Von heute zehn Uhr an sind Sie offiziell für das RS-Projekt abgestellt. Bertha wird den Papierkram erledigen. Und Kate ... wenn wir Ihnen oder Ihrer Familie mit den Folgen des Zwischenfalls am Samstag behilflich sein können, nun, dann sagen Sie es einfach ... Wir kümmern uns darum.«
    Er begleitete sie zur Tür seines Büros. Draußen schüttelte Kate den Kopf - nicht nur über das Ausmaß dessen, was gerade passiert war, sondern auch wegen ihrer Erkenntnis, daß sie den »Zwischenfall am Samstag« ein paar Minuten vollkommen vergessen gehabt hatte.
    Kate eilte in ihr Büro und begann mit den Planungen für ihr Team und das vor ihr liegende Projekt. Sie arbeitete fieberhaft, beinahe besessen, aber sie wollte nicht eingestehen, nicht einmal gegenüber sich selbst, daß das nur daran lag, daß sie jedesmal, wenn sie die Augen zumachte, das blasse Gesicht und die dunklen Augen des Eindringlings vor sich sah. Wenn sie sich den Luxus gönnte, an etwas anderes als ihre Arbeit zu denken, sah sie automatisch diese schwarzen Augen, die starr auf die schlafende Gestalt ihres Sohnes gerichtet waren.
     
    Kate und Tom trafen sich am Dienstag in Kates Mittagspause mit dem jungen Polizei-Detective. Der Detective hieß Lieutenant Bryce Peterson, und jetzt, bei Tage, fiel Kate auf, daß er nicht nur einen Bart und schlampige Kleidung trug, sondern das lange Haar auch noch zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte - was Tom immer als ›Idiotendutt‹ bezeichnete.
    Die Begegnung war alles andere als nützlich. Die Fragen des Lieutenants erstreckten sich auf Gebiete, die Kate und Tom samt und sonders schon beantwortet hatten, und der Detective hatte ihnen auch nichts Neues zu sagen.
    »Sind Sie ganz sicher, daß Sie den Verdächtigen nicht gekannt haben?« fragte Lieutenant Peterson. »Nicht einmal flüchtig?«
    Tom seufzte und strich sich mit einer Hand durch das schüttere Haar, eine Geste, die, wie Kate wußte, darauf hindeutete, daß sein Geduldsfaden am Ende war. »Wir kennen ihn nicht, sind ihm nie begegnet, haben ihn noch nie vorher gesehen und sind nicht mit ihm verwandt«, sagte Tom. Seine blauen Augen funkelten kalt. »Aber wir könnten ihn bei einer Gegenüberstellung identifizieren, wenn Sie ihn schnappen würden. Ist eine Festnahme schon in den Bereich des Möglichen gerückt, Lieutenant?«
    Der Detective zupfte zerstreut an seinem Bart. »Sie konnten niemand Passenden im Computer finden ...«
    Kate war am Abend zuvor gelinde überrascht gewesen, als sie und Tom Bilder auf einem Videoschirm betrachtet hatten; sie war davon ausgegangen, daß sie das Verbrecheralbum durchblättern müßten, wie in alten Fernsehserien. »Nein«, sagte sie. »Keines der Bilder hatte Ähnlichkeit mit dem Mann.«
    »Aber Sie sind ganz sicher, daß Sie ihn identifizieren könnten, wenn Sie ihn wiedersehen würden?« fragte der Lieutenant. Seine Stimme klang leicht näselnd, leicht nervtötend.
    »Wir haben doch gesagt, daß wir ihn identifizieren könnten«, schnappte Tom. »Verraten Sie uns, wo er um Gottes willen abgeblieben sein

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