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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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denn, es gäbe eine zelluläre oder physiologische Mutation in dieser Familie - die ausschließlich durch rezessive Gene weitergegeben wird -, die es ermöglicht, genetisches Material von Spenderblut auszuschlachten, damit die eigene Immunschwäche überwunden werden kann. Eine solche Gruppe könnte jahrhundertelang überleben, ohne daß es die medizinische Fachwelt bemerkt. Und wenn man bedenkt, wie selten das doppelt Rezessive auftaucht, würden nur wenige Familienmitglieder mit SCID oder der mutierten Kompensierung geboren werden.«
    »Nun gut«, sagte Mauberly, »gehen wir davon aus, daß es einige wenige - sehr wenige - Menschen mit dieser beschleunigten Immunreaktion auf der Welt gibt. Und das Kind, das sie adoptiert haben, ist einer davon. Aber wie funktioniert es?«
    Kate ging die groben Umrisse der Daten durch, wobei sie mit Mauberly nie wie zu einem Laien sprach - dafür war er zu brillant und zu versiert in medizinischen Dingen -, sich aber auch nie in allzu spezielle Einzelheiten oder müßige Spekulationen verstieg.
    »Gut«, faßte sie zusammen, »das alles deutete auf folgendes hin: Erstens, Joshuas Körper verfügt über eine Möglichkeit, menschliches Blut als Reparaturmechanismus für seine eigene Immunschwäche zu verarbeiten; zweitens, es gibt eine Stelle - wahrscheinlich dieses stark durchblutete Schattenorgan, das Alan entdeckt hat -, wo das Blut in seine Bestandteile zerlegt wird; drittens, das zugrunde liegende genetische Material wird im ganzen Körper verteilt, um das Immunsystem zu katalysieren.«
    »Wie?« sagte Mauberly. Die Augen des Verwaltungschefs strahlten.
    Kate breitete die Arme vor sich aus, wie es ihrer Angewohnheit bei Gastvorlesungen an der medizinischen Fakultät entsprach. »Die naheliegendste Vermutung wäre, daß es sich bei der Überträgerkomponente von Joshuas Krankheit um einen Retrovirus handelt - etwas so Hartnäckiges wie HIV, aber mit lebenspendenden statt tödlichen Folgen. Den Daten können wir entnehmen, daß die Verbreitung außerordentlich schnell vonstatten geht, und weitaus aggressiver als HIV selbst in seinen virulentesten Stadien.«
    »Das muß auch so sein«, unterbrach sie Mauberly, »wenn sie das Überleben der Familie oder Familien gewährleisten soll, in denen die Mutation zutage tritt. Eine langsame Immunrekonstruktion wäre sinnlos, da die kleinste Erkältung im Zwischenbereich tödlich sein könnte.«
    » Genau«, sagte Kate, die ihre eigene Aufregung nicht mehr verbergen konnte. »Aber wenn der mutierte Retrovirus isoliert werden könnte ... geklont ... dann ...« Sie konnte nicht weitersprechen, obwohl es so wichtig war.
    Mauberly sah in die Ferne. Seine Stimme zitterte. »Es ist verfrüht, Kate. Sie wissen, was wir beide denken, ist verfrüht.«
    »Ja, aber ...«
    Er hielt eine Hand hoch. »Aber die Resultate wären dramatisch ... regelrecht wundersam.« Er schlug Joshuas Akte zu und schob sie ihr über den Schreibtisch hinweg zurück. »Was brauchen Sie?«
    Kate ließ sich fast auf den Sessel fallen. »Ich brauche Zeit, um an diesem Projekt zu arbeiten. Wir geben ihm einen Kodenamen ... oh, RS-91 oder R 3 .«
    Mauberly zog eine Braue hoch.
    »RS für Retrovirus-Suche und für Rumänische Sensation«, sagte sie mit der Andeutung eines Lächelns. »R 3 für Rumänischer Rezessiver Retrovirus.«
    »Sie bekommen die Zeit«, versprach Mauberly. »Und den Etat. Und wenn ich einen der Crays verkaufen muß. Was noch?«
    Kate hatte sich schon alles überlegt. »Uneingeschränkte Benützung der Aufnahmegeräte, der Pathologie und mindestens eines Labors Klasse IV«, sagte sie. »Und die besten Leute dazu.«
    »Warum das Biolabor Klasse IV?« fragte Mauberly. Die teuren und hyperteuren Anlagen wurden ausschließlich für die gefährlichsten Toxine, Viren und rekombinierenden DNS-Experimente benützt. »Oh«, sagte er und sah die Antwort fast augenblicklich selbst. »Sie wollen versuchen, den Retrovirus zu isolieren und zu klonen.« Der Gedanke ernüchterte ihn. »Na gut«, sagte er schließlich. »Sie können Chandra haben.«
    Kate nickte überrascht und dankbar. Susan McKay Chandra war der Superstar des CDC, eine der zwei oder drei besten Virus- und Retrovirusexpertinnen der Welt. Normalerweise arbeitete sie in Atlanta, war aber früher schon für befristete Forschungsaufgaben in Boulder gewesen. Nun, dachte Kate, ich habe ja die Besten gewollt.
    »Wir müssen es selbstverständlich dem Kontrollrat für menschliche Bio-Ethik melden«, begann

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