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Kinder der Nacht

Kinder der Nacht

Titel: Kinder der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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könnte.«
    Der Lieutenant blätterte einige Unterlagen durch, als könnte er die Antwort darauf dort finden. Als Kate die Unterlagen las, die verkehrt herum lagen, konnte sie sehen, daß sie einen anderen Fall betrafen. »Der Dieb wurde eindeutig verwundet, aber nicht so schwer, daß er nicht entkommen konnte«, sagte der Lieutenant. »Wir haben sämtliche Krankenhäuser und Kliniken in der Gegend informiert, falls er dort Hilfe suchen sollte.«
    »Verwundet?« sagte Kate. »Lieutenant, dieser Mann wurde dreimal aus geringer Entfernung von einer Schrotflinte getroffen.«
    »Remington Kaliber zwölf mit Patronen Nummer sechs«, fügte Tom trocken hinzu.
    »Mit einer Schrotflinte«, sagte Kate, die sich bemühte, mit leiser und vernünftiger Stimme zu sprechen, was ihr auch gelang. »Der erste Schuß riß ihm die Brust auf und richtete schwere Schäden an Hals und Kiefer an. Der zweite Schuß hätte ihm beinahe den linken Arm abgerissen und hat Rippen freigelegt. Lieutenant, ich habe die Verletzungen mit eigenen Augen gesehen. Gott allein weiß, was der dritte Schuß angerichtet hat ... und der Sturz. Sie haben selbst gesehen, daß die Felswände dort fast vertikal sind.«
    Der Polizei-Detective nickte und sah sie mit leerem Blick an. Seine Lider hatten das schwere, verschleierte Aussehen, das manchen Männern eigen ist; Kate kannte Frauen, die diesen Ausdruck sexy fanden ... sie war stets der Meinung gewesen, daß er auf Dummheit hindeutete. »Und?« sagte der Lieutenant.
    »Warum sprechen wir von verwundet?« sagte Kate mit schroffer Stimme. »Warum fragen wir nicht, wer seinen Leichnam weggeschleppt hat, und warum?«
    Der Lieutenant seufzte, als würden ihn diese Fragen von Amateuren ermüden.
    Tom legte Kate eine Hand auf den Unterarm, bevor sie noch etwas im Zorn hinzufügen konnte. »Warum sprechen Sie von einem Dieb?« fragte er leise. »Warum nicht von einem Entführer?«
    Der junge Polizist sah mit verschleiertem Blick auf. »Wir haben keine Beweise dafür, daß es sich um eine versuchte Entführung handelt.«
    »Er war im Kinderzimmer! « schrie Kate. »Er hatte die Arme nach dem Baby ausgestreckt!«
    Lieutenant Peterson sah sie gleichgültig an.
    »Hören Sie«, sagte Tom, der sich offensichtlich bemühte, einen Mittelweg zu finden, damit die Unterhaltung nicht noch weiter außer Kontrolle geriet, »wir wissen, daß es keine Fingerabdrücke gibt, weil der Mann Handschuhe getragen hat. Sein Gesicht ist nicht in Ihrem Computer. Aber Sie haben Blutproben von den Felsen und Pflanzen in der Schlucht ... Fetzen der Kleidung, die auf dem Weg nach unten abgerissen wurden ... können Sie damit nichts machen? Oder es dem FBI übergeben?«
    Der Lieutenant blinzelte langsam. »Was meinen Sie, weshalb sollte sich das FBI in eine lokale Angelegenheit einmischen?«
    Kate knirschte mit den Zähnen. »Wird das FBI nicht automatisch bei Entführung oder versuchter Entführung eingeschaltet?«
    Jetzt blinzelte der Lieutenant nicht. »Aber, Doktor Neuman, wir haben keine Beweise, daß es sich um eine versuchte Entführung handelte. Sie wohnen in einer wohlhabenden Gegend. In Ihrem Haus finden sich viele teure Kunstgegenstände, elektronische Ausrüstung, Silber ... ein logisches Ziel für ...«
    »Komm mit, Kate«, sagte Tom, der aufstand und ihre Hand ergriff. »Deine Mittagspause ist zu Ende, meine Geduld ist zu Ende. Lieutenant, Sie lassen uns wissen, sollten Sie überhaupt noch etwas Neues erfahren, ja?«
    Lieutenant Peterson schenkte ihnen seinen besten Don-Johnson-Gesichtsausdruck.
    Als sie im Auto saßen und er sie den Berg hinauf zum CDC zurück fuhr, machte Tom das Handschuhfach auf und gab Kate ein kleines Holzkästchen. »Mach es auf«, sagte er.
    Sie gehorchte und sagte nichts, sondern sah ihren Ex-Mann nur an.
    »Neun Millimeter Browning Halbautomatik«, sagte Tom. »Ich habe sie von Ned im Sportwarengeschäft. Nach der Arbeit morgen machen wir einen Ausflug und üben ein bißchen. Von jetzt an bleibt sie in der Nachttischschublade.«
    Kate sagte nichts. Sie machte die Augen zu, sah das blasse Gesicht und die schwarzen Augen und bemühte sich - zum hundertsten Mal seit dem frühen Sonntagmorgen -, nicht anzufangen zu zittern.
     
    Susan McKay Chandra traf am Donnerstag in Boulder ein und war alles andere als glücklich. Kate war schon immer der Meinung gewesen, daß die Virusexpertin wunderschön war: Chandra hatte die kleine Statur, die mokka-lederfarbene Haut und das pechschwarze Haar ihres indianischen Vaters

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