Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
konntest du es wissen? Krug war seiner Natur nach ein rationaler Mensch. Er bemühte sich, alle Aspekte einer Sache zu betrachten. Er glaubte, daß die Erhaltung der geistigen Gesundheit der Menschheit davon abhing, daß sie aus diesem Traum der Einmaligkeit erwachte, denn dieser Traum war sicher zu Ende, und wenn das Erwachen später kam als früher, würde die Wirkung vernichtend sein.
    »Wann wird der Turm fertig sein?« fragte Vargas.
    »Im übernächsten Jahr. Im nächsten vielleicht, wenn wir Glück haben. Sie sahen heute morgen: unbegrenztes Budget.« Krug runzelte die Stirn. Er fühlte sich plötzlich unbehaglich. »Sagen Sie mir die Wahrheit. Selbst Sie, der Sie Ihr ganzes Leben mit dem Belauschen der Sterne verbringen, Sie glauben, der alte Krug ist ein bißchen verrückt, stimmt’s?«
    »Bestimmt nicht!«
    »Doch, Sie tun es. Alle tun es. Mein Sohn Manuel denkt, ich müsse eingesperrt werden, doch er fürchtet sich, es zu sagen. Spaulding draußen auch, jedermann, vielleicht selbst Thor Watchman, und er baut das verdammte Ding. Sie wollen alle wissen, was es mir bedeutet. Warum ich Milliarden von Dollar in einen gläsernen Turm stecke. Auch Sie, Vargas!«
    Das entstellte Gesicht verzerrte sich zur Grimasse. »Ich hege nur Sympathie für dieses Projekt. Sie beleidigen mich mit diesen Verdächtigungen. Glauben Sie, Kontakt aufzunehmen mit einer extrasolaren Zivilisation, wäre für mich nicht so wichtig wie für Sie?«
    »Es sollte wichtig sein für Sie. Es ist Ihr Gebiet, Ihr Spezialfach. Ich jedoch, Ich bin Geschäftsmann, Hersteller von Androiden, Landbesitzer, Kapitalist, Ausbeuter, vielleicht auch ein bißchen Chemiker, ich weiß etwas über Genetik, ja, aber ich bin kein Astronom, kein Wissenschaftler. Es ist ein bißchen verrückt von mir, Vargas, mich um eine Sache wie diese zu kümmern, ist es nicht so? Verschwendung von Milliarden. Unproduktive Investierung. Welche Dividende beziehe ich von NGC 7293? Können Sie mir das sagen?«
    Vargas bemerkte nervös: »Vielleicht sollten wir hinuntergehen. Die Erregung…«
    Krug schlug sich auf die Brust. »Ich bin gerade sechzig geworden. Ich habe noch hundert Jahre zu leben, vielleicht noch mehr, vielleicht zweihundert, wer weiß? Machen Sie sich um mich keine Sorgen. Doch Sie können es zugeben. Sie wissen, es ist verrückt von einem Ignoranten wie mir, sich für so etwas zu interessieren.« Krug schüttelte heftig den Kopf. »Ich weiß selbst, daß es verrückt ist. Ich muß es mir selbst immer wieder erklären. Ich kann Ihnen nur sagen, es ist etwas, das getan werden muß, und ich werde ihn bauen, diesen Turm. Ich werde ihn hinausschicken, diesen Gruß an die Sterne. Als ich aufwuchs, sagten sie uns immer: Wir sind allein, wir sind allein, wir sind allein! Ich glaubte ihnen nicht, konnte es nicht glauben. Ich machte meine Milliarden und jetzt gebe ich sie aus, um jedermann das Gegenteil zu beweisen. Sie haben die Signale entdeckt. Ich werde sie beantworten. Zahlen gegen Zahlen. Und dann Bilder. Ich weiß, wie man es macht. Eins und Null, Eins und Null, Eins und Null, Schwarz und Weiß, Schwarz und Weiß, so sendet man die Bits, und sie formen ein Bild. Man füllt einfach die Häuschen auf seiner Karte. So kann man alles darstellen. Ein Wassermolekül, unser Sonnensystem, alles…« Krug unterbrach sich, atmete schwer und keuchend, als er zum erstenmal die Bestürzung und die Angst in des Astronomen Gesicht bemerkte. In einem friedlicheren Ton sagte er zu Vargas: »Es tut mir leid. Ich sollte nicht schreien. Manchmal geht mir die Stimme durch.«
    »Es ist gut. Sie besitzen das Feuer der Begeisterung. Besser von etwas mitgerissen, als durch nichts bewegt zu werden.«
    Krug sagte: »Wissen Sie, was mich so erregt hat? Dieser planetarische Nebel, mit dem Sie mich überraschten. Er brachte mich außer Fassung. Und ich will Ihnen sagen, warum. Ich hatte davon geträumt, zu dem Ort zu reisen, von dem die Signale kamen. Ich, Krug, in meinem Schiff, im Tiefschlaf, hundert, ja zweihundert Lichtjahre weit, als Botschafter der Erde. Ich wollte eine Reise unternehmen, die nie zuvor ein Mensch unternommen hat. Nun eröffnen Sie mir, von welcher Höllenwelt die Signale kommen. Fluoreszierender Himmel, Sonne vom Typ O, ein Blaulicht-Hochofen. Ist meine Reise also abgesagt? Sie hat mich etwas aus dem Gleis gebracht, Ihre Überraschung. Doch machen Sie sich keine Sorgen. Ich passe mich der neuen Situation an. Er wirft mich nicht um, dieser Schlag. Er treibt mich nur zu

Weitere Kostenlose Bücher