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Kinder der Retorte

Kinder der Retorte

Titel: Kinder der Retorte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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mehrere kleine unterteilt worden war, angemessen für Androiden. Das Gebäude war ähnlich dem, in dem er wohnte: alt, abgenutzt, irgendwie Gemütlichkeit ausstrahlend. Neunzehntes Jahrhundert, schätzte er, obwohl die Ausstattung, die Stärke von Liliths Persönlichkeit reflektierend, ausgesprochen zeitgenössisch war: modern in den Boden montierte Möbel und winzige, zarte, freischwebende Kunstgegenstände. Watchman war nie zuvor in ihrer Wohnung gewesen, obwohl sie fast Nachbarn in Stockholm waren. Androiden, selbst Alphas, besuchten einander nicht in ihren Heimen; die Kapellen dienten als Treffpunkte für die meisten Gelegenheiten. Diejenigen, die nicht der Gemeinde angehörten, versammelten sich in AGP-Büros oder zogen die Einsamkeit vor.
    Er ließ sich in einen federnden bequemen Sessel fallen.
    »Möchtest du ein Stimulans?« fragte Lilith. »Ich kann dir alle Arten von angenehmen Stoffen anbieten. Tabak, allerlei Getränke, selbst Alkohol, Liköre, Kognak, Whisky.«
    »Du bist ja gut ausgestattet mit Reizmitteln.«
    »Manuel kommt oft hierher. Ich muß die Gastgeberin für ihn spielen. Was willst du haben?«
    »Nichts«, erwiderte er. »Ich habe eine Abneigung gegen diese Drogen.«
    Sie lachte und trat vor den Doppler. Rasch löste er ihr Gewand auf. Darunter trug sie nichts als einen Wärmeschaum, der sich hellgrün und lieblich von ihrer blassen Haut abhob, sie von den Brüsten bis zu den Schenkeln bedeckte. Durch eine weitere Bewegung vor dem Doppler ließ sie auch diese Hülle verschwinden; nur die Sandalen behielt sie an.
    Sie ließ sich anmutig zu Boden sinken, saß mit gekreuzten Beinen vor ihm, spielte mit den Schaltern ihrer Wandprojektoren; Muster kamen und verschwanden, während sie wahllose Kombinationen einstellte. Es herrschte ein seltsam gespanntes Schweigen. Watchman fühlte sich unangenehm berührt; er kannte Lilith jetzt fünf Jahre, beinahe ihr ganzes Leben, und sie war so eng mit ihm befreundet, wie ein Android es nur mit einem ändern sein konnte. Doch er war noch nie zuvor auf diese private Art allein mit ihr gewesen. Es war nicht ihre Nacktheit, die ihn störte. Nacktheit bedeutete ihm überhaupt nichts. Es war, schloß er, einfach die Vertraulichkeit der Situation. Als ob sie ein Liebespaar wären. Als ob etwas… Sexuelles… zwischen ihnen wäre.
    Er lächelte und entschloß sich, sie über diese ungereimten Gefühle zu informieren. Doch bevor er sprechen konnte, sagte sie: »Ich habe gerade an etwas gedacht. An Krug. An seine Ungeduld, den Turm zu vollenden. Thor, wäre es möglich, daß er glaubt, bald sterben zu müssen?«
    »Sterben?« Ein ungewohnter, verrückter Gedanke!
    »Irgendeine fürchterliche Krankheit, etwas, das sie tektogenetisch nicht reparieren können. Ich weiß nicht, was; eine neue Art von Krebs vielleicht. Jedenfalls, nimm an, er hat gerade festgestellt, daß er vielleicht noch ein oder zwei Jahre zu leben hat und entschlossen ist, seine Botschaft vorher auszusenden.«
    »Er sieht gesund aus«, sagte Watchman.
    »Vielleicht verfault er von innen heraus. Die ersten Symptome sind sein unberechenbares Verhalten, sein besessenes Hasten von Ort zu Ort, seine ständige Beschleunigung der Arbeitspläne, sein Antreiben zur Schnelligkeit…«
    »Krug bewahre uns, nein!«
    »Krug bewahre Krug.«
    »Ich glaube das nicht, Lilith. Wie kommst du auf diesen schrecklichen Gedanken? Hat Manuel etwas gesagt?«
    »Nur Intuition. Ich will dir helfen, Krugs seltsames Benehmen zu erklären, das ist alles. Wenn er wirklich ein sterbender Mann ist, so ist dies die einzige Erklärung für…«
    »Krug kann nicht sterben.«
    »Kann nicht?«
    »Du weißt, was ich meine. Er darf nicht sterben. Er ist noch jung. Er hat mindestens noch ein Jahrhundert vor sich. Und es gibt so viel, das er in dieser Zeit noch tun muß.«
    »Für uns, meinst du?«
    »Natürlich«, erwiderte Watchman.
    »Aber der Turm verbrennt ihn, verzehrt ihn. Thor, nimm an, er stirbt wirklich? Ohne die Worte gesprochen zu haben… ohne gesagt zu haben, daß wir…«
    »Dann werden wir eine Menge Energie im Gebet verschwendet haben. Und die AGP wird uns ins Gesicht lachen.«
    »Sollten wir nicht etwas tun?«
    Er drückte seine Daumen gegen die Augenlider. »Wir können unsere Pläne nicht auf Phantastereien aufbauen. Soweit wir wissen, ist Krug nicht sterbenskrank und wird wahrscheinlich nicht so schnell sterben.«
    »Und wenn er wirklich stirbt?«
    »Worauf willst du hinaus?«
    Sie sagte: »Wir könnten sogleich damit

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