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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Du wirst einen reich gedeckten Tisch vorfinden, Fliegerin. Ich glaube nicht, daß du schon einmal etwas Besseres gesehen hast.“
    Aber wie sich später herausstellen sollte, hatte Maris unzählige Male besser gegessen. Es gab zwar viel zu essen, aber es war miserabel zubereitet. Die Fischsuppe war viel zu salzig, das Brot war hart und trocken, und die Fleischgerichte hatten so lange gekocht, bis jegliche Spur von Geschmack verschwunden war. Selbst das Bier schien Maris sauer zu sein.
    Sie aßen in einem düsteren, ungemütlichen Bankettsaal und saßen an einem Tisch, der zwanzig Personen Platz bot. Evan, der recht unzufrieden aussah, hatte man am Fuß des Tisches zwischen einige Landwachen, Offiziere und die jüngeren Kinder des Landmannes gesetzt. Maris durfte den Platz eines Ehrengastes zur Rechten der Thronerbin einnehmen. Sie war eine mürrische Frau mit einem scharf geschnittenen Gesicht, die während des Essens keine drei Worte sprach. Ihr gegenüber saßen die anderen Flieger. Gleich neben dem Landmann saß ein schwächlicher, graugesichtiger Mann mit einer birnenförmigen Nase. In ihm erkannte Maris den Flieger Jem, dem sie in der Vergangenheit einige Male begegnet war. Als dritte hatte Corina von Klein Amberly Platz genommen. Sie lächelte Maris über den Tisch hinweg an. Corina ist schrecklich schön, dachte Maris und erinnerte sich an die Worte der Läuferin. Auch ihr Vater Corm war ein hübscher Bursche gewesen.
    „Du siehst gut aus, Maris“, sagte Corina. „Ich bin glücklich. Wir haben uns große Sorgen um dich gemacht.“
    „Mir geht’s gut“, sagte Maris. „Ich hoffe, daß ich bald wieder fliegen werde.“
    Über Corinas Gesicht legte sich ein Schatten. „Maris …“ begann sie. Dann zögerte sie. „Ich hoffe es“, endete sie schwach. „Alle fragen nach dir. Hoffentlich bist du bald wieder bei uns zu Hause.“ Sie blickte auf den Teller und aß, ohne das Gespräch weiter fortzusetzen.
    Zwischen Jem und Corina saß als dritter Flieger eine junge Frau, die Maris nicht kannte. Nach einem fehlgeschlagenen Versuch, sich mit der Tochter des Landmannes zu unterhalten, begann Maris, über ihr Essen hinweg die Fremde zu beobachten. Sie war wohl genauso alt wie Corina, aber der Unterschied zwischen den beiden Frauen war erheblich. Corina war lebhaft und schön. Sie hatte dunkles Haar, reine gesunde Haut, grüne strahlende Augen, und sie war von einer Aura von Zuversicht und Kultiviertheit umgeben. Als Fliegerin und Tochter von zwei Fliegern war sie mit den Privilegien und Traditionen der Flügel aufgewachsen.
    Die Frau, die neben ihr saß, war dünn. Von ihr ging eine eigensinnige Kraft aus. Ihre hohlen Wangen waren mit Pockennarben bedeckt, und ihr dünnes blondes Haar war zu einem unordentlichen Knoten an ihrem Hinterkopf zusammengefaßt. Die Haare waren so straff nach hinten gekämmt, daß ihre Stirn ungewöhnlich hoch erschien. Wenn sie lächelte, sah Maris, daß ihre Zähne schief und gelb waren.
    „Du bist Tya, nicht wahr?“ sagte sie.
    Die Frau betrachtete sie mit scharfen schwarzen Augen. „Ja.“ Ihre Stimme klang überraschend angenehm; sie war kühl und sanft mit einem schwachen Unterton von Ironie.
    „Ich glaube nicht, daß wir uns schon einmal begegnet sind“, sagte Maris. „Fliegst du schon lange?“
    „Ich habe meine Flügel vor zwei Jahren auf Nord Arren errungen.“
    Maris nickte. „An diesem Wettkampf habe ich nicht teilgenommen. Ich glaube, ich war zu diesem Zeitpunkt nach Artellia unterwegs. Warst du schon einmal im Westen?“
    „Dreimal“, antwortete Tya. „Zweimal in Groß Shotan und einmal in Chulhall. Aber ich war noch nicht in Amberly. Meistens habe ich im Osten zu tun, besonders zur Zeit.“ Sie sah den Landmann kurz aus ihren Augenwinkeln an und lächelte Maris verschwörerisch zu.
    Corina, die die ganze Zeit zugehört hatte, versuchte höflich zu sein. „Wie hat dir Sturmstadt gefallen?“ fragte sie. „Und der Eyrie? Hast du den Eyrie besucht?“
    Tya lächelte freundlich. „Ich bin eine Einflüglerin“, sagte sie. „Ich wurde in Luftheim ausgebildet. Wir fliegen den Eyrie nicht an, Fliegerin. Sturmstadt ist sehr eindrucksvoll. Im Osten gibt es keine vergleichbare Stadt.“
    Corina errötete. Maris war beunruhigt. Spannungen zwischen den geborenen Fliegern und jenen, die ihre Flügel erst erringen mußten, deprimierten sie. Der Himmel von Windhaven war nicht mehr so freundlich, wie er einmal gewesen war, und sie hatte mit dazu beigetragen. „Eyrie ist

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