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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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nachzudenken, was mit Holzflügel geschehen wäre, wenn man ihn gerettet hätte und sein legendärer Sturz ihn nicht getötet hätte. Was geschehen wäre, wenn er auf seinen unmöglichen Holzflügeln getrieben wäre und er zu seinen landgebundenen Freunden zurückgekehrt wäre. Wie wäre sein Leben wohl nach diesem Scheitern verlaufen, wenn all seine Träume geplatzt wären. Welche Kompromisse hätte er geschlossen.“ Sie seufzte und legte ihren Kopf auf Evans Schulter. „Ich bin länger geflogen als viele andere. Ich sollte zufrieden sein. Ich wünschte, ich könnte es. In mancherlei Beziehung bin ich noch ein Kind, Evan. Ich habe nie gelernt, mit Enttäuschungen fertig zu werden. Ich habe gedacht, es gäbe immer einen Weg, das zu bekommen, was ich will, ohne Kompromisse schließen zu müssen. Das ist schlimm, Evan.“
    „Erwachsenwerden kann schmerzhaft sein“, sagte Evan. „Und die Heilung dauert lange. Nimm dir Zeit, Maris.
    Coll und Bari waren abgereist. Sie hatten geplant, Thayos noch einmal zu besuchen, bevor sie mit dem Schiff zu den Inseln im Osten zurückkehrten. Sie würden bald wiederkommen, hatte Coll Maris und Evan versichert, aber Maris befürchtete, daß eins zum anderen käme und daß es eher eine Frage von Jahren als von Monaten wäre, bis sie Coll und seine Tochter wiedersähe.
    Tatsächlich war es nur eine Frage von Tagen.
    Coll raste vor Wut. „Man braucht die Erlaubnis des Landmannes, um diese gottverdammte Insel zu verlassen“, gab er als Antwort auf Maris’ überraschte Begrüßung. Er tobte beinahe. „Was ist das für eine Zeit, wo Sänger als Spitzel verdächtigt werden!“
    Bari blickte scheu hinter dem Rücken ihres Vaters hervor, dann lief sie, um Maris und Evan zu umarmen.
    „Ich freue mich, daß wir wieder hier sind“, sagte sie.
    „Ist Thrane schon der Krieg erklärt worden?“ fragte Evan. Trotz eines kurzen Lächelns für Bari war sein Gesicht voller Zorn.
    Coll warf sich in den großen Sessel am Kamin.
    „Ich weiß nicht, ob man den Krieg schon erklärt hat“, sagte er. „Aber in den Straßen geht das Gerücht um, daß der Landmann drei mit Landwachen besetzte Kriegsschiffe ausgesandt hat, die die Eisenminen bewachen sollen.“ Während er sprach, hantierte er mit seiner Gitarre herum, aber seine unruhigen Finger brachten nur Mißklänge zustande. „Und während wir auf den Ausgang dieses kleinen Unternehmens warten, darf niemand ohne die ausdrückliche und persönliche Erlaubnis des Landmannes auf der Insel landen oder sie verlassen. Die Händler sind wütend, aber sie haben Angst, sich zu beschweren.“ Coll lachte höhnisch. „Warte nur, bis ich weit genug weg bin, dann schreibe ich ein Lied, daß dem Landmann Hören und Sehen vergeht, wenn es an seine Ohren dringt. Und das wird es ganz sicher.“
    Maris lachte. „Du hörst dich an wie Barrion. Er hat immer behauptet, daß die Sänger die eigentlichen Herrscher sind.“
    Diese Bemerkung rang Coll ein Lächeln ab, aber Evan blieb ernst. „Kein Lied wird die Verwundeten heilen oder die Toten zum Leben erwecken“, sagte er. „Wenn der Krieg bevorsteht, müssen wir den Wald verlassen und nach Port Thayos gehen, denn dorthin werden sie die Verwundeten bringen. Ich werde dort gebraucht.“
    „In den Straßen ist die Hölle los“, sagte Coll. „Es gibt Gerüchte und alle Arten von Geschichten. In der Stadt herrscht eine angespannte Atmosphäre. Der Landmann hat seine Heilerin gehängt, deshalb haben die Leute Angst, zur Festung zu gehen. Es wird bald Ärger geben, und nicht nur mit Thrane.“ Er sah Maris an. „Auch bei den Fliegern ist etwas im Gange. Ich sah wohl ein Dutzend Flügelpaare kommen und gehen. Zuerst habe ich gedacht, sie brächten Kriegsnachrichten, aber eine Frau, mit der ich etwas im „Szyllas Kopf“ getrunken habe, verriet mir mehr. Sie hat eine Schwester bei den Landwachen, und sie hat berichtet, daß ihre Schwester damit prahlt, erst vor kurzem eine Fliegerin eingesperrt zu haben. Der Landmann will die Sache selbst in die Hand nehmen und die Fliegerin wegen Verrates verurteilen! Kannst du dir das vorstellen?“
    „Ja“, sagte Maris. „Es ist wahr.“
    „Ah“, sagte Coll. Er sah überrascht aus und hatte den Faden verloren. „Nun. Könnte ich eine Tasse Tee haben?“
    „Ich hole ihn“, sagte Evan.
    „Erzähl weiter“, sagte Maris. „Welche anderen Gerüchte?“
    „Wahrscheinlich weißt du mehr als ich. Was hat es mit der Inhaftierung auf sich? Ich kann das kaum glauben. Was

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