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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Schiffe, die die gefährliche Überfahrt von einem Archipel zum anderen wagten, verschwanden für immer im Meer. Anhand der Schiffspositionen und der Stärke des Windes konnte Maris ablesen, daß die Flotte in weniger als einer Stunde in den Hafen einlaufen würde. Sie drehte eine Runde und wurde sich beim Anblick der Anstrengungen unter ihr bewußt, welche Gnade und Freiheit ihr der Himmel bot. Sie entschied sich, nicht sofort nach Seezahn zurückzukehren, sondern die Ankunft der Flotte auf Groß Shotan zu verkünden. Vielleicht würde sie – neugierig wie sie war -sogar auf sie, ihr Einlaufen und ihre Neuigkeiten warten.
    Maris trank zuviel Wein in der lauten Kneipe am Hafen. Die erfreuten Gäste drängten sie dazu, weil sie die erste war, die das Erscheinen der Fremden angekündigt hatte. Alle Leute versammelten sich an den Docks. Sie tranken und feierten und stellten Vermutungen darüber an, was die Händler mit sich führen mochten.
    Als der Ruf laut wurde – zuerst nur eine Stimme, dann viele –, daß die Schiffe am Dock anlegten, stand Maris auf, torkelte vorwärts und verlor das Gleichgewicht, denn ihr war schwindelig vom Wein. Beinahe wäre sie gefallen, aber die vielen Körper, die sie umgaben und zur Tür strömten, hielten sie aufrecht und zogen sie mit sich.
    Draußen lärmte und grölte man. Maris überlegte einen Moment, ob es richtig gewesen war, zu bleiben. Mitten in der sich voranwälzenden Menge konnte sie weder etwas Aufregendes sehen noch erfahren. Achselzuckend bahnte sie sich einen Weg durch die Menge und setzte sich auf ein umgestürztes Faß. Sie konnte sich genauso gut abseits halten und warten, bis jemand von den Schiffen vorbeikam, der sie mit Neuigkeiten versorgte. Sie lehnte sich an die ausgewaschene Steinmauer, verschränkte die Arme und wartete.
    Widerwillig wachte sie auf, geweckt von jemandem, der an ihrer Schulter rüttelte. Sie blinzelte und sah in das Gesicht eines Fremden.
    „Bist du Maris?“ fragte er. „Maris, die Fliegerin? Maris von Klein Amberly?“ Er war ein sehr junger Mann, mit dem ernsten verschlossenen Gesicht eines Asketen, das keine Regung verriet. In diesem Gesicht leuchteten zwei große, dunkel glänzende Augen. Sein rotes Haar war von der Stirn aus zurückgekämmt und am Hinterkopf zu einem Zopf zusammengebunden.
    „Ja“, sagte sie geradeheraus. „Ich bin Maris. Warum? Was ist passiert? Ich muß eingeschlafen sein.“
    „Ja“, sagte er ohne besondere Betonung. „Ich bin mit einem der Schiffe gekommen. Man hat mich an dich verwiesen. Ich dachte, du wärst gekommen, um mich hier zu treffen.“
    „Oh“, sagte Maris und blickte sich um. Die Menge hatte sich aufgelöst und war fast ganz verschwunden. Bis auf einige Händler, die auf den Planken standen und Gruppen von Hafenarbeitern, die Kisten mit Tuch ausluden, waren die Docks menschenleer. „Ich habe mich gesetzt und gewartet“, murmelte sie. „Die Augen müssen mir zugefallen sein, denn ich habe letzte Nacht nicht viel Schlaf bekommen.“
    Etwas an ihm kommt mir bekannt vor, dachte Maris benommen. Sie betrachtete ihn genau. Seine Kleidung wies den Schnitt der Östlichen Inseln auf. Sie war einfach, graues Tuctfmit Ornamenten. Ein dicker warmer Umhang mit Kapuze. Unter dem Arm trug er eine Leinentasche, und an seiner Taille steckte ein Messer in einer Lederscheide. „Du sagst, du bist mit dem Schiff gekommen?“ fragte Maris. „Verzeih mir, aber ich bin noch nicht ganz wach. Wo sind die anderen Seeleute?“
    „Die Seeleute essen und trinken, und die Händler feilschen, nehme ich an“, antwortete er. „Die Reise war schwierig. Wir haben ein Schiff im Sturm verloren, konnten aber die Besatzung bis auf zwei Mann retten. Hinterher waren die Schiffe überbelegt; es war recht unbequem. Die Seeleute waren froh, endlich wieder Land unter den Füßen zu haben.“ Er hielt inne. „Aber, ich bin kein Seefahrer. Entschuldige, es ist mein Fehler. Ich bin es wohl nicht, den du hier treffen sollst.“ Er wandte sich zum Gehen um.
    Plötzlich wußte Maris, wer er sein mußte. „Natürlich“, rief sie. „Du bist der Student von Luftheim.“ Er hatte sich ihr wieder zugewandt. „Es tut mir leid“, sagte sie. „Dich habe ich ganz vergessen.“ Sie sprang vom Faß herunter.
    „Ich heiße Val“, sagte er, als müßte ihr der Name etwas sagen. „Val von Süd Arren.“
    „Schön“, sagte Maris, „meinen Namen kennst du ja.“
    Er hängte sich die schwere Tasche um. Die Muskeln um seinen Mund waren

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