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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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gespannt. „Man nennt mich auch Einflügler.“
    Maris antwortete nicht, aber ihr Gesicht verriet ihre Gedanken.
    „Ich sehe, du kennst mich“, sagte er scharf.
    „Ich habe von dir gehört“, gestand Maris. „Du willst an den Wettkämpfen teilnehmen?“
    „Ich will fliegen“, sagte Val. „Vier Jahre habe ich mich darauf vorbereitet.“
    „Ich verstehe“, sagte Maris kühl. Sie sah in den Himmel und trat einen Schritt von ihm zurück. Es begann bereits zu dämmern. „Ich muß zurück nach Seezahn“, sagte sie. „Sie werden denken, ich bin ins Meer gestürzt. Ich werde ihnen von deiner Ankunft berichten.“
    „Willst du nicht einmal den Kapitän sprechen?“ fragte er höhnisch. „Sie ist in einer der Kneipen dort drüben und erzählt dem leichtgläubigen Volk ihre Geschichten.“ Er wandte sein Gesicht einem der Gebäude in der Nähe der Docks zu.
    „Nein“, sagte Maris vorschnell. „Aber vielen Dank.“ Sie drehte sich um, hielt aber inne, als er rief.
    „Kann ich hier ein Boot mieten, um nach Seezahn zu kommen?“
    „In Sturmstadt kann man alles mieten“, antwortete Maris, „aber es wird teuer sein. Es gibt jedoch eine Fähre, die regelmäßig von der südlichen Landestelle fährt. Es wird das beste sein, wenn du die Nacht hier verbringst und morgen früh die Fähre nimmst.“ Sie drehte sich wieder um und ging die Kopf Steinstraße hinunter, zum Quartier der Flieger, wo sie ihre Flügel deponiert hatte. Sie schämte sich etwas, ihn so unvermittelt stehen gelassen zu haben, denn er war den weiten Weg gekommen mit dem Wunsch, ein Flieger zu werden. Aber sie schämte sich nicht genug, um zu ihm zurückzugehen. Einflügler, dachte sie wütend. Sie war überrascht, daß er sich unter diesem Namen vorgestellt hatte. Er mußte doch wissen, wie man ihm begegnen würde.
    „Du hast es gewußt!“ schrie Maris, sie war so wütend, daß es ihr gleich war, ob die Studenten sie hörten. „Du hast es gewußt und mir nichts gesagt.“
    „Natürlich wußte ich es“, sagte Sena. Ihre Stimme klang gleichförmig, und ihr gesundes Auge bewegte sich ebensowenig wie ihr krankes. „Ich habe es dir nicht früher gesagt, weil ich diese Reaktion befürchtete.“
    „Wie konntest du nur?“ fragte Maris vorwurfsvoll. „Willst du seine Herausforderung wirklich unterstützen?“
    „Wenn er gut genug ist“, antwortete Sena, „und ich habe verschiedene Gründe, das anzunehmen. Im Falle von Kerr habe ich ernstliche Bedenken, aber bei Val überhaupt keine.“
    „Weißt du nicht, wie wir über ihn denken?“
    „Wir?“
    „Die Flieger“, sagte Maris. Sie ging unruhig vor dem Feuer auf und ab, hielt dann aber an, um Sena anzusehen. „Er kann nicht noch einmal gewinnen, aber selbst wenn, denkst du, daß es die Schließung von Holzflügel verhindert? Die Akademien zehren noch von seinem ersten Sieg. Wenn er wieder gewinnt, würde die Landfrau …“
    „Die Landfrau von Seezahn würde sich stolz und geschmeichelt fühlen“, unterbrach Sena. „Wenn er gewinnt, will er hierbleiben, glaube ich. Nicht die Landgebundenen nennen ihn Einflügler, sondern ihr Rieger.“
    „Er nennt sich selbst Einflügler“, sagte Maris mit steigender Lautstärke. „Und du weißt, warum er diesen Namen trägt. Selbst in dem Jahr, als er die Flügel trug, war er immer nur ein halber Flieger.“ Sie begann wieder auf und ab zu gehen.
    „Ich selbst bin weniger als ein halber Flieger“, sagte die alte Frau ruhig und starrte in die Flammen. „Ein Flieger ohne Flügel. Val hat die Chance, die Flügel zurückzugewinnen, und ich kann ihm dabei helfen.“
    „Du würdest alles tun, damit ein Holzflügler den Wettkampf gewinnt, nicht wahr?“ sagte Maris vorwurfsvoll.
    Sena wandte ihr faltiges Gesicht, ihr gesundes leuchtendes Auge fixierte Maris. „Was hat er getan, daß du ihn so sehr haßt?“
    „Du weißt, was er getan hat“, sagte Maris.
    „Er hat ein Flügelpaar gewonnen“, sagte Sena.
    Plötzlich schien sie eine Fremde zu sein. Maris drehte der alten Frau den Rücken zu, um dem starren Blick des weißen, gräßlichen Auges zu entgehen. „Er hat eine Freundin von mir in den Selbstmord getrieben“, sagte sie leise aber nachdrücklich. „Er hat sich über ihren Kummer lustig gemacht, ihre Flügel gestohlen und sie so gut wie mit eigenen Händen von der Klippe gestoßen.“
    „Unsinn“, sagte Sena, „Ari hat sich selbst das Leben genommen.“
    „Ich kannte Ari“, sagte Maris traurig und starrte ins Feuer. „Sie hatte ihre

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