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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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war. „Vielleicht kenne ich mich selbst nicht“, murmelte sie. „In den letzten Monaten habe ich nicht gut geschlafen. Ich hatte Alpträume.“
    Dorrel legte einen Arm um sie und führte sie durch das Gedränge zu einem großen Tisch an der Wand, auf dem Weine, Spirituosen und Speisen standen. „Was für Alpträume?“ fragte er. Er füllte zwei Gläser Rotwein und schnitt zwei Stücke weißen Käses ab.
    „Nur einen. Ich falle durch die windstille Luft, schlage auf dem Wasser auf und sterbe.“ Sie biß ein Stück Käse ab und spülte es mit einem Schluck hinunter. „Gut“, sagte sie lächelnd.
    „Na klar“, antwortete Dorrel. „Er ist aus Amberly. Aber machst du dir wirklich Sorgen wegen des Traumes? Du bist doch nicht abergläubisch.“
    „Nein“, sagte Maris, „aber das ist noch nicht alles. Ich kann es nicht erklären. Es ist nur … es bedrückt mich. Aber das ist es nicht.“ Sie zögerte.
    Dorrel versuchte in ihrem Gesicht zu lesen.
    „Diese Wettkämpfe“, sagte Maris. „Es könnte Ärger geben.“
    „Welche Art von Ärger?“
    „Erinnerst du dich, als wir uns auf Eyrie trafen? Damals erwähnte ich einen Studenten, der mit dem Schiff von Luftheim gekommen war.“
    „Ja“, sagte Dorrel und trank einen Schluck Wein. „Was ist mit ihm?“
    „Er ist hier auf Skulny. Er wird jemanden herausfordern. Aber er ist nicht nur irgendein Student. Es ist Val.“
    Dorrel blickte sie fragend an. „Val?“
    „Einflügler“, vollendete Maris ruhig.
    Er runzelte die Stirn. „Einflügler“, wiederholte er. „Nun verstehe ich, warum du dir Sorgen machst. Ich hätte nicht erwartet, daß gerade er es noch einmal versucht. Glaubt er, er wäre willkommen?“
    „Nein“, sagte Maris. „Er weiß Bescheid. Und seine Meinung über die Flieger ist nicht besser als die ihre über ihn.“
    Dorrel zuckte die Achseln. „Nun, das ist eine unerfreuliche Angelegenheit, aber es wirft nicht unbedingt einen Schatten über die Wettkämpfe“, sagte er. „Man wird ihn leicht übersehen können, und ich glaube, wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, daß er wieder gewinnt. In letzter Zeit hat niemand einen Angehörigen verloren.“
    Maris zog sich ein wenig zurück. Plötzlich schien Dorreis Stimme so hart, und dieser Hohn klang aus seinem Mund so grausam. Außerdem waren es dieselben Worte, die sie verwendet hatte, als Val in der Akademie angekommen war. „Dorr“, sagte sie, „er ist gut. Er hat jahrelang trainiert. Ich glaube, er wird gewinnen. Er hat Talent, ich weiß es, denn ich bin gegen ihn geflogen.“
    „Du bist gegen ihn geflogen?“ staunte Dorrel.
    „Zur Übung“, sagte Maris. „Auf Holzflügel. Was …“
    Er trank seinen Wein aus und stellte das Glas ab. „Maris“, sagte er leise, aber mit ernster Stimme. „Willst du damit sagen, daß du ihm geholfen hast? Diesem Einflügler?“
    „Er war ein Student, und Sena bat mich, mit ihm zu arbeiten“, erwiderte Maris trotzig. „Ich kann mir die Schüler nicht aussuchen und nur mit denen arbeiten, die ich mag.“
    Dorrel fluchte und ergriff ihren Arm. „Komm mit hinaus“, sagte er. „Hier, wo uns jemand hören könnte, möchte ich nicht darüber sprechen.“
    Außerhalb der Hütte war es kalt. Der vom Meer aufkommende Wind trug den Geruch von Tang und Salz mit sich. Am Strand entlang waren die Pfähle aufgestellt, die brennenden Laternen hießen nächtliche Flieger willkommen. Maris und Dorrel entfernten sich von der umlagerten Hütte und setzten sich in den Sand. Fast alle Kinder waren gegangen. Sie waren allein.
    „Vielleicht habe ich mich davor gefürchtet“, sagte Maris mit einer Spur Bitterkeit in der Stimme. „Ich wußte, du hättest es verhindert. Aber ich kann keine Ausnahme machen. Wir können keine Ausnahme machen. Kannst du das nicht verstehen. Kannst du nicht wenigstens versuchen, es zu verstehen?“
    „Ich kann es versuchen“, sagte er. „Aber ich kann dir keinen Erfolg versprechen. Warum Maris? Er ist kein gewöhnlicher Landgebundener, kein kleiner Holzflügler, der davon träumt, ein Flieger zu sein. Er ist Einflügler. Selbst als er seine Flügel hatte, war er nur ein halber Flieger. Er tötete Ari. Hast du das vergessen?“
    „Nein“, sagte Maris. „Und es bedrückt mich. Es ist nicht leicht, ihn zu mögen, und er haßt Flieger. Aris Geist starrt ihm über die Schulter. Aber ich muß ihm helfen, weil wir es vor sieben Jahren beschlossen haben. Die Flügel sollen dem gehören, der sie am besten zu gebrauchen versteht,

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