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Kinder der Stürme

Kinder der Stürme

Titel: Kinder der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R.R. Martin
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Die dicken Fettpolster, die das Tier vor der Kälte des Wassers schützten, brutzelten, und Fett tropfte in die Flammen. Die merkwürdige, katzenartige Schnauze war mit Nüssen und Kräutern gefüllt. Es duftete köstlich.
    Alle ihre landgebundenen Freunde waren eingeladen worden. Sie scharten sich um Coli und gratulierten ihm. Einige fühlten sich verpflichtet, mit Maris zu sprechen, ihr zu sagen, daß sie sich glücklich schätzen durfte, einen Flieger zum Bruder zu haben und selbst ein Flieger gewesen zu sein. Gewesen zu sein. Gewesen zu sein. Am liebsten hätte sie geschrien.
    Aber schlimmer als die Landgebundenen waren die Flieger, die selbstverständlich auch anwesend waren. Corm, schön und charmant wie immer, hielt in einer Ecke des Saales Hof und erzählte staunenden Mädchen von seinen Abenteuern. Shalli tanzte. Noch bevor der Abend zur Neige ging, hatte sie ein halbes Dutzend Männer betört. Aber auch von den anderen Inseln waren Flieger eingetroffen. Anni von Culhall, Jamis der Jüngere, Helmer von Groß Amberly, dessen Tochter noch in diesem Jahr seine Flügel übernahm. Ein halbes Dutzend von den Westlichen Inseln und drei Flieger von den Östlichen Inseln, die ständig ihre Köpfe zusammensteckten. Alle ihre Freunde und Brüder, ihre Kameraden von Eyrie.
    Aber nun mied man sie. Anni lächelte höflich und blickte dann schnell zur Seite. Jamis übermittelte die Grüße seines Vaters. Er schwieg verlegen und trat von einem Fuß auf den anderen. Als Maris ihn gehen ließ, stöhnte er beinahe erleichtert auf. Selbst Corm, den nichts aus der Ruhe bringen konnte, schien Mühe zu haben, mit der Situation fertig zu werden. Er reichte ihr eine Tasse heißen Kivas und sah dann auf der anderen Seite des Raumes einen Freund, mit dem er unbedingt sprechen mußte.
    Maris setzte sich in einen Ledersessel am Fenster. Sie fühlte sich überflüssig. Sie machte es sich bequem, nippte an ihrem Kivas und hörte den aufkommenden Wind an den Läden rütteln. Sie war niemandem böse. Wie konnte man sich auch mit einem flügellosen Flieger unterhalten?
    Sie war froh, daß weder Garth noch Dorrel oder sonst jemand, den sie besonders gern hatte, gekommen war.
    Plötzlich entstand Unruhe an der Tür. Maris Stimmung stieg sichtlich, als sie Barrion mit seiner Gitarre in der Hand kommen sah.
    Obwohl sie wußte, daß Russ der Meinung war, er hätte schlechten Einfluß auf Coli, lächelte sie, denn sie mochte Barrion. Der Sänger war ein großgewachsener Mann mit wettergegerbtem Gesicht. Das graue Haar ließ ihn älter aussehen, als er tatsächlich war. Sein längliches Gesicht zeigte aber nicht nur die Spuren vpn Wind und Sonne, sondern zeigte auch viele Lachfalten; seine grauen Augen spiegelten seinen schelmenhaften Humor wider. Barrion hatte eine tiefe, polternde Stimme, eine respektlose Art und eine Vorliebe für unglaubliche Geschichten. Er war der beste Sänger der WestUchen Inseln, hieß es. Oder wenigstens behauptete Coli das, und natürlich auch Barrion selbst. Aber Barrion behauptete auch, er hätte über hundert Inseln besucht, was für einen Mann ohne Flügel unmöglich war. Seine Gitarre, so sagte er, sei vor siebenhundert Jahren mit dem Schiff der Sternensegler von der Erde gekommen. Seine Familie hätte sie von Generation zu Generation weitergegeben, behauptete er ganz ernsthaft, als glaubte er, Coli und Maris nähmen ihm das ab. Eine verrückte Idee – eine Gitarre zu vererben wie ein Paar Flügel.
    Schwindler oder nicht, Barrion war ein romantischer Unterhalter und sang wie der Sturmwind selbst. Coli hatte bei ihm gelernt und nun waren beide dicke Freunde.
    Der Landmann begrüßte ihn mit einem Schlag auf die Schulter. Barrion lachte, nahm Platz und stimmte seine Gitarre. Es wurde ruhig im Saal, und selbst Corm verstummte mitten im Satz.
    Zuerst sang er das Lied der Sternensegler.
    Es war die älteste Ballade, die erste, die sie mit Recht ihr eigen nennen durften. Barrion sang sie schlicht, in vertrauten Klängen, und Maris beruhigte der Klang seiner tiefen Stimme. Wie oft hatte sie Coli gehört, wenn er die ganze Nacht aufgeblieben war, um dieses Lied zu üben. Sein Stimmbruch hatte ihn damals oft beinahe wahnsinnig gemacht. Jede dritte Zeile wurde durch eine gräßlich falsche Note und einen einminütigen Fluch unterbrochen. Maris hatte dann meist im Bett gelegen und über die seltsamen Geräusche, die aus dem Wohnzimmer heraufdrangen, gekichert.
    Nun schenkte sie dem Inhalt des Liedes besondere Aufmerksamkeit.

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