Kinder der Stürme
hierbleibst. Es wird eine schwere Zeit für dich werden, hier allein auf Amberly. Selbst für mich wird alles schwieriger. Der Landmann ist gegen mich, und Corm unterstützt ihn. Und selbst die respektablen Bürger meiden mich. Außerdem steht uns die ganze Welt offen. Komm doch mit.“ Er lächelte. „Vielleicht kann ich auch dir das Singen beibringen. “
Maris stocherte in ihrem Essen herum. „Ich singe schlechter, als mein Bruder fliegt, Barrion. Nein, ich kann hier nicht weg. Ich muß bleiben und versuchen, meine Flügel zurückzubekommen.“
„Ich bewundere dich, Maris“, sagte er, „aber der Kampf ist aussichtslos. Was kannst du schon tun?“
„Ich weiß es nicht. Irgendetwas. Vielleicht kann mir der Landmann helfen. Der Landmann spricht Recht, und er mag mich. Wenn er einsieht, daß es für das Volk von Amberly das Beste ist, dann …“
„Er kann sich Corm nicht widersetzen. Die Sache unterliegt dem Fliegergesetz, und darüber hat er keine Gewalt. Außerdem …“ Er zögerte.
„Was gibt’s?“
„Schlechte Nachrichten. An den Docks wird erzählt, daß sie einen neuen Flieger gefunden haben. Devin von Gavora ist mit dem Boot auf dem Weg hierher. Er will sich hier niederlassen und die Flügel tragen.“ Er beobachtete ihre Reaktion mit sorgenvoller Miene.
„Devin!“ Sie warf die Gabel hin und sprang auf. „Haben die Gesetze ihnen schon das letzte bißchen Vernunft geraubt?“ Sie lief im Zimmer auf und ab. „Devin ist ein schlechterer Flieger als Coli. Er hat seine eigenen Flügel verloren, als er zu tief flog und die Wasseroberfläche berührte. Wenn nicht zufällig ein Schiff vorbeigekommen wäre, wäre er jetzt tot. Und Corm will tatsächlich ihm die Flügel geben?“
Barrion grinste ironisch. „Er ist ein Flieger und bewahrt die Tradition.“
„Wann ist er von Gavora abgereist?“
„Vor ein paar Tagen, sagen sie.“
„Die Reise dauert mindestens zwei Wochen“, sagte Maris. „Wenn ich noch etwas unternehmen will, muß ich es tun, bevor er ankommt. Wenn er erst einmal die Flügel hat, gehören sie ihm und sind für mich unerreichbar.“
„Aber Maris“, sagte Coli, „was kannst du tun?“
„Nichts“, sagte Barrion. „Oh, wir könnten sie natürlich stehlen. Corm hat sie reparieren lassen, sie sind so gut wie neu. Aber was dann? Nirgendwo würde man dich aufnehmen. Gib es auf, Mädchen. Du kannst das Fliegergesetz nicht ändern.“
„Nein?“ fragte sie. Ihre Stimme klang siegessicher. Sie blieb stehen und lehnte sich gegen den Tisch. „Bist du sicher? Sind die Gesetze denn niemals verändert worden? Woher stammen sie?“
Barrion war verwirrt. „Nun, gleich nachdem der Alte Captain getötet worden war, rief man eine Versammlung ein, und der Landmann-Captain von Groß Shotan teilte die neu geschmiedeten Schwingen aus. Damals wurde auch beschlossen, daß kein Flieger Waffen tragen sollte. Die Erinnerung an jene Schlacht war damals noch wach, als der alte Sternensegler die letzten beiden Himmelsgleiter dazu benutzt hatte, Feuer vom Himmel regnen zu lassen.“
„Ja“, sagte Maris, „und es gab noch zwei weitere Versammlungen, erinnerst du dich, Generationen später, als ein Landmann-Captain den anderen Landmännern seinen Willen aufzwingen und ganz Windhaven unter seine Herrschaft bringen wollte? Er sandte die Flieger von Groß Shotan in den Himmel, um Klein Shotan zu unterwerfen. Alle Flieger der übrigen Inseln versammelten sich und verurteilten ihn zum Tode, nachdem seine Geisterflieger verschwunden waren. Er war der letzte Landmann-Captain, und Groß Shotan ist jetzt eine Insel wie alle anderen.“
„Ja“, sagte Coli, „es gab noch eine dritte Versammlung, bei der die Flieger beschlossen, nicht auf Kennehut zu landen, nachdem der Verrückte Landmann den Flieger-Der-Schlechte-Nachrichten-Brachte getötet hatte.“
Barrion nickte zustimmend. „Ja, das stimmt. Aber seither wurde keine Versammlung mehr einberufen. Bist du sicher, daß alle kommen würden?“
„Selbstverständlich“, sagte Maris, „denn es ist ein ungeschriebenes Gesetz, eine von Corms heiligen Traditionen. Jeder Flieger kann eine Versammlung einberufen. Ich könnte meinen Fall den Fliegern von Windhaven vortragen und …“
Sie hielt inne. Sie sahen sich an. Maris und Barrion hatten den gleichen Gedanken.
„Jeder Flieger“, sagte er, ohne besondere Betonung.
„Aber ich bin kein Flieger“, sagte Maris. Sie ließ sich auf ihren Stuhl fallen. „Und Coli hat auf seine Flügel
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