Kinder des Donners
jetzt sei die Zeit? Nun gut. Was hast du über ihn zu sagen?«
Trotzig: »Daß du ihn und seine Familie aus dem Weg geräumt hast, für den Fall, daß er sich als zu gut er- weisen würde, als daß du mit ihm fertigwerden könn- test! Peter — Claudia —, er hat dafür gesorgt, daß der Landsitz der Familie niederbrannte!« Bernie kam näher und redete eindringlich auf sie ein. »Und das war ein
Kind, ein halbwüchsiger Junge, und noch dazu sein Halbbruder! Kein ekelhaftes altes Schwein wie Thrower. Ein Kind, so alt wie mein ältester Sohn!«
Er zitterte vor Erregung, die Hände wie Klauen vor der Brust verkrampft.
»Crystal«, sagte David leise, aber nicht so leise, daß es nicht zu hören gewesen wäre, »mach eine Notiz. Al- kohol kann die Wirkung beeinträchtigen.«
»Nach länger anhaltender Anwendung«, schlug Cry-
stal als Zusatz vor.
»Guter Gesichtspunkt. Etwas, das wir uns merken müssen. Ich frage mich, ob die Erfindung des Destillier- kolbens etwas mit dem historischen Schema zu tun hat. Notier das, damit wir der Sache weiter nachgehen.«
»Wird gemacht.«
Zum ersten Mal bemerkte Peter, der noch immer von dem Konflikt zwischen dem, was er hörte, und dem, was er fühlte, in Anspruch genommen war, daß Crystal eine Computer-Fernbedienung am linken Handgelenk
trug, wie eine Taschenrechner-Uhr. Sie drückte schnell
nacheinander eine Reihe von Tasten, und es ertönte ein Klicken von einem Ding, das bis zu diesem Moment wie ein Louis-XVI-Sekretär ausgesehen hatte.
Illusionen, Scheinwelt! Laß diese Situation un-un- wirklich sein!
»Tatsächlich war es jedoch so« — David wandte sich in gebieterischem Ton an Bernie —, »GianMarco mußte sterben, denn er saß hoffnungslos in der Falle der Ver- gangenheit fest. Ein geborener Ewiggestriger, könnte man sagen. Er war der unerschütterlichen Überzeu- gung, daß das Land, das seine Familie besaß, auch seiner Familie gehörte. So ist es nicht! Wir — alle von uns — gehören diesem Planeten, nicht umgekehrt!«
Zum ersten Mal dämmerte Peter etwas von der — der Ideologie? Vielleicht wäre >Glaube< der passendere Aus- druck? —, von der dieser furchterregende Junge durch- drungen war. Wenn es ihm darum ging, die Schätze die- ser Erde zu bewahren, so war das zumindest vernünf- tig...
Vernünftig? Oder das Mäntelchen der Vernunft, das einer anderen Sache umgehängt wurde?
Die Frage drängte sich auf, denn er erinnerte sich an einen Fernsehbericht: eine Familie in Italien, die in ih- rem brennenden Haus eingeschlossen war, und der Na- me ihres einzigen Sohnes war GianMarco ...
Aber er mußte sich zusammennehmen und weiter zuhören. Ellens liebkosende Hand in seinem Nacken
vermittelte ihm das.
»Ich weiß, daß es Tracy nicht mag, wenn ich über sie re- de«, sagte David. Seine Stimme war plötzlich hell und klar geworden, eher wie die jedes anderen, gewöhnli- chen halbwüchsigen Knaben. »Aber, Tracy, wir alle müssen uns mit den Folgen unseres Handelns ausein- andersetzen! Sheila schafft es ...«
Zum ersten Mal wagte es eins der anderen Kinder,
ihn zu unterbrechen. Wieder einmal, wenn er nicht ge- wußt hätte, daß Ellen auf der Armlehne seines Sessels
hockte, hätte sich Peter einbilden können, daß es ihre Stimme sei.
»Ich bin die einzige, die einen so bescheuerten Mist gemacht hat. Und muß ich jetzt nicht zum Zeichen da- für mein ganzes Leben lang mit diesen Narben herum- laufen?«
»Verlobungsring«, warf Claudia leise ein. Unerwarte- terweise schien sie ihre Fassung entschieden mehr zu- rückerlangt zu haben als Peter. Aber schließlich war ihr auch nicht eine solche Ladung unerwünschter Verant- wortung aufgebrummt worden ... Während der näch- sten paar Sekunden haßte Peter sie.
Das Gefühl hielt aber nicht an. Es wurde nicht gestat- tet.
»Ich glaube, ich brauche nicht in Einzelheiten zu ge- hen«, brummte David. »Um Tracys willen sollte ich je- doch erwähnen, daß die Ursache war, daß Tracy von ei- nem Paar aufgezogen wurde, das einen so ungeheuer großen Wert auf triviale Besitztümer legte, ja, das sogar die Tochter als eine Art Besitz betrachtete ...«
»David, du bringst sie zum Weinen! Hör auf!«
Peter konnte nicht erkennen, von wem dieser Ausruf
gekommen war, doch es war auf jeden Fall ein Junge, nicht etwa ein Mädchen, der sich neben Tracy auf die Knie sinken ließ und ihr tröstend den Arm um die Schulter legte. David zögerte.
Aha! Er besaß also nicht die totale Herrschaft über al- le anderen.
Weitere Kostenlose Bücher