Kinder des Donners
natürlich Ellen, die sich als un- geheuer hilfreich erwiesen hat.«
Claudia löste ihre Hand aus Peters und biß sich auf die Fingerknöchel, um ein hysterisches Kichern zu un-
terdrücken. David schenkte ihr ein leutseliges Lächeln und sprach weiter.
»Ich hatte vorgehabt, uns dem Alter nach vorzustellen, aber ich glaube, es ist leichter, es in der Reihenfolge zu tun, wie wir zusammenkamen. Zufällig bin ich der älte- ste, aber naturgemäß liegen wir, was das Alter betrifft, alle ziemlich dicht beieinander.«
Naturgemäß? Ein übler Scherz lag Peter auf der Zun- ge, doch er blieb unausgesprochen und hinterließ ledig-
lich einen bitteren Geschmack.
»Ich hab meine eigenen Lebensumstände dargelegt. Wir können also mit Dymphna weitermachen — Dymphna Clancy, aus Irland. Ihre Mutter, die in einem System lebte, das Scheidung nicht zuließ, war mit ei- nem Mann verheiratet, der sie niederträchtig behandel- te, weil sie keine Kinder produzierte. Schließlich verlor sie darüber den Verstand. Das erste Anzeichen für ihren bevorstehenden Zusammenbruch war ohne Zweifel, daß sie nach London fuhr, wo eine derartige Behand- lung legal war, und sich unter Vorlage einer gefälschten
Vollmacht, mit der sich ihr Ehemann angeblich einver- standen erklärte, in der Chinn-Wilkinson-Klinik be- fruchten ließ. Diese Einrichtung wurde nicht ganz nach den makellosen Grundsätzen geleitet, zu denen sich ih-
re Betreiber bekannten ... Dymphna landete schließlich in einem katholisch geführten Waisenhaus, wo sie nach Erreichen des Pubertätsalters mit Wonne sogenannte Sünden wider die Moral beging und nicht dafür bestraft wurde.«
Peter konnte Dymphna an ihrem breiten Grinsen er- kennen. Obwohl sie blasser war und Sommersprossen hatte und ihr Haar einen rötlichen Schimmer aufwies, war sie unfehlbar Ellens Halbschwester ...
»Die Schuld liegt jedoch nicht bei ihr — noch bei ir- gendeinem von uns. Eine kranke Gesellschaft, die dazu geführt hatte, daß der Ehemann ihrer Mutter seine Frau
so grausam behandelte, das ist die Ursache ... Und nun
zu Roger, dessen Vergehen nicht unähnlich waren.
Als Kind einer Mutter, die mit ihrem Gatten darin übereinstimmte, daß sie zwar die Pflicht hatten, ein Kind hervorzubringen, daß dieses Kind jedoch sobald wie möglich für mindestens drei Viertel des Jahres in ein Internat geschickt werden mußte, erkannte Roger beim
Eintritt in die Pubertät, daß er gewisse Vorlieben und gewisse Talente hatte. Im reifen Alter von dreizehn Jah- ren betrieb er einen erfolgreichen Vermittlerdienst für Päderasten, an denen er übrigens ein hübsches Sümm- chen Geld verdiente. Bei weitem nicht soviel, wie ich
durch den Verkauf meiner Designer-Drogen hereinbe- kam, natürlich nicht, aber ...«
Trotz Ellens zur Zurückhaltung mahnenden Hände- drucks konnte sich Peter nicht mehr beherrschen. Er platzte heraus: »Du hast Drogen verkauft? Du hast mit
Rauschmitteln gehandelt?«
David warf ihm einen kühlen Blick zu. »Nein. Ich ha- be sie konstruiert. Andere haben sie hergestellt und ver-
trieben. Ich habe lediglich Provision kassiert. Warum nicht? Von uns wäre nie jemand so töricht, sie zu neh- men.«
Zum erstenmal ließ er ungeniert durchblicken, daß er und die anderen Kinder sich für etwas Besonderes hiel- ten.
Wie besonders? Eine besondere Spezies? Halten sie sich für
den »Menschen nach dem Menschen«, den »Homo superior« ?
Ellen befreite ihre Finger und begann, ihm sanft den Nacken zu massieren, wobei sie bei jedem Strich seine Verspannung weiter lockerte. Peter hatte vorgehabt, noch eingehender nachzuhaken, war jetzt aber davon abgekommen. Claudia, die zumindest zum Teil die Fas- sung wiedererlangt hatte, beugte sich vor.
»Du erwähnst immer wieder die Pubertät«, flüsterte sie.
David nickte.
»Wie die meisten menschlichen Pheromone, hängt das unsere mit den Hormonen zusammen, und zwar mehr noch bei den Mädchen. Bei ihnen setzt die Sekre- tion für eine kurze Zeit im Monat aus. Zum Ausgleich
dafür ist es auf dem Höhepunkt des Ausstoßes mächti-
ger und wirkungsvoller, gleichermaßen gegen Männer wie Frauen.«
Gegen? Die abscheulichen Möglichkeiten, die dieses einzige Wort in sich barg, ließen Peter erschaudern —
doch wieder einmal hatte er keine Chance, zu Wort zu kommen, denn David hatte seine Ausführungen wieder aufgenommen. Abgesehen von dem gelegentlichen Ge- räusch eines Wagens, der auf der weit entfernten Straße
vorbeifuhr, herrschte buchstäblich
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