Kinder des Donners
es vielmehr ein >Religionsstaat< —, und seine Argumentation wurde mit jedem Martini, den er
hinunterkippte, wirrer. Jedenfalls stellte er lautstark die
Prognose, daß das Ergebnis eine kommunistische Welt- herrschaft sein würde, denn die Kommunisten besäßen das Monopol der angewandten Wissenschaften, wäh- rend sein Volk sich darauf beschränkte, zu beten und den Finger auf willkürlich ausgelegte Bibelstellen zu le- gen und das Schicksal durch Stöckchenziehen entschei-
den zu lassen, wessen ältester Sohn geopfert werden sollte, um den Weltuntergang abzuwenden ...
Und er hatte gesagt — Ja, jetzt fiel es ihm wieder ein! Er hatte gesagt: »Wenn Sie die einzige Stimme, die
während dieses ganzen Wochenendes etwas Vernünfti- ges spricht, hören wollen, dann müssen Sie sich an ' Claudia Morris wenden. Hat sie ihre Rede schon gehal- ten?«
Peter hatte schroff geantwortet: »Ja, heute morgen. Waren Sie nicht dort?«
Ein Kopfschütteln. »Sie hatte mir den Text vorab zu- geschickt, und ich habe ihn letzte Woche gelesen. Groß- artig! Wir brauchten mehr Leute wie Claudia ... Ma- chen Sie eine Sendung über sie? Das sollten Sie unbe- dingt.«
Und mit diesen Worten hatte er sich, ohne eine Ant- wort abzuwarten, abgewandt und sein leeres Glas in Richtung Barkeeper geschwenkt.
Peter hätte sich in diesem Moment am liebsten ent-
fernt. Doch irgend etwas hatte ihn zögern lassen. Ein
Rechtsanwalt, der offenbar Agnostiker war, der anhal- tende Streit zwischen Wissenschaftlern und Fundamen- talisten ... und jetzt stand endgültig fest, daß Continuum abgesägt werden sollte ... Er brauchte jede Menge Kon- takte, um überhaupt hoffen zu können, als freiberufli-
cher Journalist überleben zu können.
Ich habe ihm meine Karte gegeben, auf deren Rückseite ich diesen Code geschrieben hatte! Und er hat mich nicht nach meinem Namen gefragt!
Doch soweit er sich erinnerte, war das das einzige Mal, daß er diesen Code — der normalerweise allereng- sten Freunden und ganz speziellen Informanten vorbe- halten war — jemandem außerhalb Englands anvertraut hatte.
Wieso erschien er auf dieser Info-Tafel?
Eine Antwort kam ihm wie ein Geistesblitz in den
Sinn: Sie wurde von Leuten benutzt, die anderer Mei-
nung waren als Claudia. Wahrscheinlich war der Rechtsanwalt in Wirklichkeit nicht Teilnehmer an die- sem Netz — er bediente sich lediglich eines Programms, um sich die Tafel auf den Monitor zu rufen. Das könnte interessant sein!
Mit übertriebener Sorgfalt tippte Peter das Schlüssel- wort ein, das er empfangen hatte, und wartete, was sich auf dem Bildschirm tat.
Was darauf abrollte, war eine Zusammenstellung der
Nachrichten für eine Trappistengemeinde, die offenbar
zu schnell lief und schlampig bearbeitet war, denn sie enthielt viele Fehler. Der Kernpunkt war jedoch klar.
Zunächst wurde Bezug genommen auf Versuche der
Fundamentalisten, weitere Bereiche des amerikanischen Schulwesens zu beherrschen, wozu die üppigen finan- ziellen Mittel benutzt wurden, die sich angehäuft hat- ten, weil die Jahrtausendwende immer näher rückte und
die Gläubigen immer weniger darauf vertrauten, daß ih- nen noch sieben Jahre Zeit blieb, bis Harmageddon über
sie hereinbrach. Die Zeit lief ab ...
Dann wurde unvermittelt das Thema gewechselt zu
einer Sache, von der Peter gehört, die er aber nie ernst genommen hatte: Eine Gruppe mit dem Spitznamen >Strugger< nach einem gewissen Cecil Strugman, der Millionen Dollar aus dem fleischverarbeitenden Betrieb
seiner Familie geerbt, sich zum Vegetarier-Ökologen- Rationalisten entwickelt und eine Gegenkampagne ge- startet hatte mit dem Ziel, die verfassungswidrigen Ten- denzen der Fundamentalisten offenzulegen, die sich da- durch verrieten, daß sie Begriffe gebrauchten wie »Kö- nig« und »Herrscher« — genau das, wovon sich die Gründungsväter mit aller Entschiedenheit gelöst hat- ten. Mit wachsender Erregung setzte sich Peter an den Arbeitstisch und hielt die Bildschirmanzeige gelegent-
lich an, wenn ihm ein besonderer Punkt ins Auge stach.
Bis zu diesem Moment hatte er sich eingebildet, daß all diese Spekulationen im wesentlichen symbolisch ge-
meint und damit unweigerlich zum Fehlschlagen verur-
teilt waren. Doch im Gegenteil: wenn er dem, was er da las, Glauben schenken durfte, dann hatten die Strugger eine Unmenge gerichtlicher Verfahren durchgefochten und ein buchstäblich unangreifbares Urteil erwirkt, während sie zusätzliche Geldmittel von Industriefirmen
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