Kinder des Donners
verdammten Steckrüben quäle oder die Asche aus dem Kamin räume! Ich werde es nicht mehr tun! Ich weiß genug über die Art von Leben, auf das ich mich hätte freuen können — Busse und Taxis und Discos und Konzerte und Computer und Buche-
reien und Fernsehen und Mädchen und allerlei An- nehmlichkeiten! Um all das habt ihr mich gebracht! Und zwar um eines öden Stückchen Landes willen, das ihr jetzt nicht einmal für mich erhalten könnt, weil ihr plei- te seid!«
Tränen standen ihm in den Augen, doch seine Stim-
me blieb ausgeglichen und beherrscht.
»Also du, Roy, kannst mit deinem landwirtschaftli-
chen Getue weitermachen. Ich sehe ein, daß du das bei Tageslicht tun mußt. Aber wenn du mich jemals Hunger leiden lassen wirst, dann wirst du vor mir hungern, das
verspreche ich dir! Und sobald ich irgend etwas erfah- ren möchte, das du mir beibringen kannst, dann läßt du den Spaten fallen und kommst zu mir gerannt, verstan- den? Und was dich betrifft, Mutter, du kannst den Haushalt für mich in Ordnung halten, bevor ich aufste-
he und nachdem ich ins Bett gegangen bin, auch wenn das bedeutet, daß du für den Rest deines Lebens keine Nacht mehr als fünf Stunden Schlaf bekommen wirst. Wenn ich von hier weggehe, was meiner Schätzung nach in ungefähr vier Jahren der Fall sein wird, dann beabsichtige ich, soweit zu sein, mir von euch alles Wis- sen, das ihr vermitteln könnt, angeeignet zu haben, weil
ihr mich den ganzen Tag über unterrichtet habt, ange- fangen vom Kochen bis hin zur Quantenphysik! Wenn ich mich schließlich aus euren verlogenen Fittichen be- freie, dann möchte ich in der Lage sein, zumindest im abstrakten Sinn gut allein zurechtzukommen — und euch wünsche ich, daß ihr quieken müßt, um als Schweine anerkannt zu werden!«
Jetzt waren es nicht mehr nur Tränen, sondern auch
Schweißperlen, die ihm übers Gesicht kullerten.
»Sohn ...«, wagte Roy eine Entgegnung.
»Wessen?« kam die bissige Antwort. Das war der letz- te Einwand gewesen.
Natürlich, wenn Garth nicht seine ungeteilte Aufmerk- samkeit voll und ganz auf sie richtete — wie zum Bei- spiel gerade jetzt, da er einiges davon dafür verwen-
dete, die Besucher abzublocken —, schafften es Roy und Tilly, die Gelegenheit zu einer kurzen Frage zu nut- zen.
»Garth, wenn nun diese Inspektorin ...?«
»Was denn? Was denn?« — mit unsagbarer Verach- tung. »Habe ich mich eurer nicht ebenso angenommen wie ihr euch meiner? Habe ich nicht mit Jack At- terthwaite abgerechnet, nachdem er seiner Hündin ein- gebleut hatte, seine Schafe in eure Gemüsebeete zu trei- ben? Und das, obwohl ich etwas so Fades wie Gemüse nicht ausstehen kann! Hat er keinen Rückzieher ge- macht, als dieses Ekel von seinem Sohn im Wildbach dahintrieb? Und habe ich euch nicht gewarnt, kein Was- ser davon zu nehmen, bis es wieder sauber war, das heißt, bis man Bobs Leiche entfernt hatte?«
Roys Gesicht war kreideweiß, Tillys grau.
»Dann warst du es also ...?«
»Warum erschüttert euch das so? Seither hat man uns doch in Ruhe gelassen, oder etwa nicht?«
»Aber die Polizei ...«, jammerte Tilly.
»Haben Sie uns bei der Ermittlung auch nur als Zeu-
gen vernommen?«
»Nein, aber...«
»Und halten uns die anderen jetzt nicht allesamt für unberührbar? Nennen sie euch nicht >die dunkle Herrin< und >den Gehörnten Findet ihr jetzt nicht immer wieder Gaben am Hoftor, für die niemand eine Bezahlung fordert? Opfergaben ? Wenn ihr es abstreitet...«
Roys Blässe wich tiefer Röte. Er setzte zum Sprechen an, doch Garth sprang auf.
»Mir hängt euer ewiges >ja aber< zum Hals raus! Tilly, mach, daß du wieder an deinen Herd kommst! Ich will rechtzeitig zu Abend essen! Und ich möchte Fleisch ser- viert bekommen — hast du mich verstanden? Ihr könnt
von mir aus dahindarben mit Grünzeug und Wurzeln,
aber ich brauche herzhaftes Protein!«
Ein einziges Mal schaffte es seine Mutter, der Wucht seines Zorns etwas entgegenzuhalten. Anstatt sofort zu gehorchen, flüsterte sie: »Wenn man uns schon so nennt, wie wird man dich erst nennen?«
Der Junge wußte darauf keine Antwort. Zum ersten- mal seit längerer Zeit fühlte er wieder eine gewisse Un- sicherheit; beim letztenmal hatte er über sein Erwach- senwerden nachgedacht, weil er beim Aufwachen einen nassen Fleck in seinem Bett entdeckt hatte. Roy und Til- ly — das mußte er ihnen immerhin zugestehen — hat- ten ihn in seiner Aufregung mit einer offenen und beru- higenden Aufklärung über das
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