Kinder des Donners
bilden.
Im nächsten Fall ging es wieder um einen Jungen, ir- gendwo im Norden Englands, soweit ich vermuten konnte. Jedenfalls in einem Landstrich mit Schafzucht, wo die Bäche alle Wildbäche sind. Es gab einen Streit zwischen seiner Familie und irgendwelchen Nachbarn. Ein preisgekrönter Hund wurde getötet. Dann wurde der Sohn der gegnerischen Familie ertrunken aufgefun-
den; sein Fuß hatte sich in einer Drahtschlinge verfan-
gen, so daß er der Länge nach in den Fluß fiel, sich den Kopf anschlug und ertrank. Es sah nicht nach einem Unfall aus, eher nach einer absichtlich angelegten Falle.
Doch nach den Ermittlungen wurde es als Unfall zu den Akten gelegt, und — das wird Sie amüsieren — jetzt erzählt man sich in der Gegend, daß die Familie über magische Kräfte verfügt.«
»In diesem Land und in der heutigen Zeit?«
»So ist es. Ich habe mich deswegen an die theologi- sche Fakultät gewandt — wo ich nicht gerade zu den re-
gelmäßigen Besuchern gehöre — gehörte, muß ich jetzt wohl sagen. Ich mußte mich nach einigen der Worte er-
kundigen, die ich in dem Bericht fand, wie >dunkle Her- rin< und >Gehörnter<. Offenbar gehen sie zurück auf die Religion im vorchristlichen Britannien.«
»Hm-hm.« Peter nickte. »Der Gehörnte dürfte Cer-
nunnos, der Wilde Mann der Berge sein, der den Kopf eines Ebers hat beziehungsweise ein Geweih an einem menschlichen Kopf. In Carnac in der Bretagne betet man ihn immer noch an, und zwar in der Verkleidung
eines christlichen Heiligen namens Cornely.«
»Auch darüber haben Sie eine Continuum-Sendung gemacht, nicht wahr?«
»Was glauben Sie, warum ich mich so gut damit aus- kenne? Aber trotzdem wissen Sie eine ganze Menge Dinge, die ich noch nicht wußte ... bitte fahren Sie fort!«
»Ah ... ja. Als nächstes geht es wieder um ein Mäd- chen. Noch eine Mörderin. Sie hat einen Mann vor den
Augen seiner Freunde ertränkt. Sie war noch ein Kind, und er ein ausgebildeter Einzelkämpfer einer Sonder- einheit, einem Marine Ranger vergleichbar.«
Peter richtete sich mit einem Ruck auf seinem Stuhl auf. »Aber das ergibt doch keinen Sinn!«
»Verdammt wenig an dem Ganzen ergibt einen Sinn!« entgegnete Claudia in scharfem Ton. »Lesen Sie selbst!«
Peter beugte sich näher zum Bildschirm. Eines gar nicht mehr fernen Tages würde er eine Brille brau- chen ...
Schließlich sagte er: »Aber wenn er die Absicht ge- habt hatte, sie zu vergewaltigen ...«
»Sie persönlich behauptet das gar nicht. Natürlich hat niemand gehört, was die beiden miteinander gespro- chen haben, dazu war die Entfernung zu groß. Dem An- schein nach tauchte er einfach den Kopf unter Wasser und kam nicht mehr hoch. Ich wünschte, ich könnte weitere Einzelheiten erfahren, doch dieser verdammte Filter ist so programmiert, daß er vollkommen auf
Nummer Sicher geht, und deshalb weiß ich nur, daß er
in einem Fluß ertrunken ist und sein Leichnam gefun- den wurde, wie er gegen eine Art von Zaun klatschte — vermutlich die Abgrenzung eines Bereichs, in dem das Baden sicher ist. Aber von dieser Sorte muß es Hunder- te in Großbritannien geben.«
»Wissen Sie das jeweilige Datum, an dem sich die
Vorfälle ereignet haben?« fragte Peter. Claudia schüttel-
te den Kopf, wobei ihr Haar auf und ab wippte wie die Linie eines Oszillographen.
»Andeutungen über die Jahreszeit sind das einzige, das der Filter durchläßt. Das hier muß sich offenbar im
Sommer abgespielt haben. Doch alles hat sich in jüng- ster Zeit ereignet. Es gibt vage Anzeichen dafür, daß alle Vorfälle in den letzten paar Jahren stattgefunden ha- ben.«
»Ich hätte mir Notizen machen sollen«, fiel Peter jetzt erst ein.
»Sie können sich die Diskette kopieren, wenn Sie wollen. Mir war bis heute abend nicht ganz klar, wie
dringend ich eine zweite Meinung benötige. Sollen wir weitermachen?«
»Ja!«
»Okay. Hier haben wir es wieder mit einem Jungen zu tun, der offenbar in einer heruntergekommenen Stadt lebt, wahrscheinlich wiederum im Norden Eng-
lands. Laut eines Berichts im NPC, oder vielmehr eines der Gerüchte, die einzuspeichern man den örtlichen Be- amten der Sicherheitspolizei nahelegt...«
»Darüber brauchen Sie mich nicht aufzuklären!« un- terbrach Peter sie in verbittertem Ton.
»Sie können selbst ein Lied davon singen, was?« Sie sah ihn stirnrunzelnd von der Seite her an. »Ja, ich erin-
nere mich, daß Sie es erwähnten. Ihre Regierung scheint den Verfolgungswahn bei ihren Bürgern zu fördern
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