Kinder des Donners
... Also, aus dem Bericht geht hervor, wie Sie selbst sehen, daß er der Anführer einer Bande von älteren Jungen ist,
die angeblich allerlei Dienstleistungen anbieten, in Wirklichkeit jedoch die Geschäftsinhaber der Gegend erpressen, so daß sie ihnen lächerlich hohe Summen für geringfügige Arbeiten bezahlen. Zum Beispiel bekom- men sie zehn oder fünfzehn Pfund für das Wegschaffen unverkaufter Zeitungen oder das Transportieren von Mülleimern von der Hinterseite eines Geschäfts nach vorn.«
»Aber die Ladenbesitzer ...«
»Zeigen sie nicht an. Sagen nicht aus.«
»Das ergibt keinen Sinn!«
»Das sagten Sie bereits, und ich bin immer noch Ihrer Meinung.«
»Aber wie können sich die Leute von einer Handvoll Kinder so sehr einschüchtern lassen?«
»Das ist das Merkwürdigste an dem Ganzen! Sie sind nicht eingeschüchtert!«
»Wie bitte?«
»Sie sind nicht eingeschüchtert«, wiederholte Claudia geduldig. »Sie behaupten, die Jungen zu mögen und ih- nen freiwillig soviel zu bezahlen! Das war übrigens der Fall, auf den mein Bekannter, der Oberste Polizeichef, gestoßen war und der ihn so sehr verärgerte. Deshalb kann ich hier so sicher sein. Aber er hat mich nicht etwa in diese Richtung gelenkt. Ich schreibe ihm gelegentlich, um ihm über den Fortgang meiner Untersuchung zu be- richten, und als ich den Fall erwähnte, gab er zu, daß dies das Beispiel war, das er im Sinn gehabt hatte.«
»Ich brauche noch einen Drink«, sagte Peter und er- hob sich. »Sie auch?«
»Ich hätte eigentlich lieber Kaffee.«
»Können Sie haben. Das heißt, wenn Sie mit lösli- chem zufrieden sind. Es ist schon einige Zeit her, daß ich mir das echte Zeug leisten konnte.«
Als er den dampfenden Becher neben sie hingestellt hatte, ergriff sie wieder das Wort.
»Jetzt begeben wir uns in Grenzbereiche. Hier kom- men jetzt ein paar Fälle, die vielleicht ganz anders gela- gert sind, doch gewisse Parallelen aufweisen.
Der erste betrifft eine Verhandlung vor dem Jugend- richter, in der einige Schülerinnen verurteilt wurden,
weil sie eine Mitschülerin mißhandelt hatten — die jüngste der Klasse, falls das eine Bedeutung hat. Nach den einmütigen Aussagen der Mädchen hatte sie zum Zeitpunkt des Angriffs Schmuck getragen, der früher ihnen gehört hatte, den sie ihnen jedoch irgendwie ab- geschwatzt hatte; sie versuchte in diesem Moment, das
gleiche bei einem Mädchen zu erreichen, das von der Schule abgegangen und zurückgekommen war, um den anderen ihren Verlobungsring zu zeigen, den sie gerade
geschenkt bekommen hatte. Sie wurde ziemlich schwer verletzt und mußte ins Krankenhaus gebracht werden. Doch als es zur Verhandlung kam, bestätigten alle
lammfromm, was das verletzte Mädchen ausgesagt hat- te: Sie hatten ihr ihre Besitztümer freiwillig geschenkt — wovon einige übrigens sehr wertvolle Stücke waren, die so viel Geld gekostet hatten, daß die früheren Eigen-
tümerinnen ihren Eltern vorgelogen hatten, sie hätten sie
>verloren<, und dafür ernsthafte Schelte bekamen.«
»Doch selbst wenn die Mädchen einen Rückzieher
machten, wie verhielten sich die Eltern, die ja wahr- scheinlich die Dinge bezahlt hatten, die sie den anderen weggenommen hatte?«
»Sofern sie im Gerichtssaal waren, ließen sie sich so- fort von ihr gewinnen. Wenn sie sie zu Hause aufsuch- ten, ließen sie sich ebenfalls von ihr gewinnen. Jetzt be- greifen Sie vielleicht, was mich an all dem so ... besessen macht?«
»Das tue ich, in der Tat«, murmelte Peter und nippte an seinem frischen Drink. »Sie sagten, Sie hätten noch mehr Fälle auf Lager.«
»Richtig. Alle sind, wie gesagt, im Grenzbereich an- gesiedelt; die einzige Verbindung besteht in einer sehr
merkwürdigen — zufälligen? — Übereinstimmung, nämlich ... Aber ich greife zu weit vor. Ich möchte, daß Sie sich zunächst noch das andere Material ansehen.«
Finger huschten über die Tastatur.
»Dieser Fall hier betrifft den Geschäftsführer einer — Baugenossenschaft. Ein merkwürdiges Wort.«
»Wieso?«
»Ich mußte mir seine Bedeutung von jemandem er- klären lassen. Bei uns in den Staaten gibt es so etwas nicht. Soweit ich verstanden habe, handelt es sich dabei um etwas Ähnliches wie eine Bausparkasse, bei der durch Ansparen ein Wohnrecht erworben wird. Stimmt das?«
»Das kommt der Sache ziemlich nahe. Was war mit dem Mann?«
»Er bediente sich aus der Kasse, um sich einen neuen Wagen, ein neues Haus und jede Menge anderer netter Spielereien zu kaufen.
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