Kinder des Donners
Lösungsmit-
telmißbrauch, organisch bedingte Geistesgestörtheit — eben jene Dinge, die Sie bereits erwähnt haben. Und ich baute eine Schwelle ein für solche Fälle, in denen der häusliche Hintergrund an sich schon Gewalttätigkeit
gedeihen ließ. Wollen Sie den ganzen Wust durchge- hen?«
»Nur, wenn Sie es für unbedingt nötig halten.«
»Gut. Ich habe so oft auf dieses Display geschaut, daß ich manchmal das Gefühl habe, ich sehe es gar nicht mehr.« Sie gab einen neuen Befehl ein. Peter stellte fest, daß jede Wirkung, die der Whiskey gehabt haben mochte, vollkommen verflogen war.
»Eines müssen Sie dabei bitte noch verstehen: »Ich wollte nichts finden. Ich war felsenfest davon überzeugt, daß meine ursprüngliche Idee unanfechtbar war, und ich tat dies alles nur — nun, man könnte sagen, aus ei-
nem gewissen Pflichtbewußtsein heraus. Wie irgendein Wichtigtuer in einem Labor, der kein Experiment aus- läßt, das ihm überhaupt nur einfällt, um seine Lieb-
lingstheorie eventuell zu widerlegen.«
»Der Eindruck, den ich aus Ihrem Buch gewonnen ha- be«, sagte Peter langsam, »war der, daß Sie Ihre Er- kenntnisse nicht nur für allgemein anwendbar halten, sondern für universell gültig. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, daß nach meinem Dafürhalten dieser
Punkt der schwächste an dem Ganzen war.«
Sie lachte rauh. »Sie wissen ja gar nicht, wie recht Sie haben!« murmelte sie. »Doch in wenigen Minuten wer- den Sie es wissen ... Tatsache ist, daß die ersten Infor- mationen, die mich fast umgeworfen hätten, gar nicht vom Nationalen Polizei-Computer kamen. Und es gibt noch ein paar mehr, bei denen das nicht der Fall war und auf die ich an passender Stelle noch zu sprechen kommen werde. Nehmen wir uns jetzt den ersten Fall vor. Können Sie gut sehen?«
Peter hatte hinter ihr gestanden. Jetzt zog er sich ei- nen Stuhl heran und setzte sich, damit er aus einem günstigeren Blickwinkel schauen konnte.
»Ich habe diese Informationen von meinem Freund im Kriminologischen Institut, der sie wiederum von ei-
nem Kollegen aus Stanford erhalten hatte. Es gibt eine
Schwemme von Designer-Drogen in Kalifornien. Sie
haben wahrscheinlich schon davon gehört, daß die Fun-
das einen Softdrink auf den Markt gebracht haben, der mit einer davon versetzt ist?«
»CrusAde«, sagte Peter nickend. »Hat man nicht ver- sucht, dem Ganzen den Anstrich von Legalität zu ge- ben?«
»Genau. Weil es sich nicht um einen synthetischen
Stoff handelt, sondern um etwas, das aus präparierter Hefe entsteht. Die FDA hat sich nicht darauf eingelas-
sen. Einige Funda-Gläubige behaupten, daß Hefe etwas mit Brauen zu tun hat, und damit fiele das Getränk un-
ter hochprozentige Alkoholika< und so weiter — egal. Der Rechtsstreit ist immer noch im Gange. Aber hier ist das, was mich an der Sache interessiert hat.« Sie deute- te auf den Bildschirm.
»Das FBI ist sicher, daß der Drogen-Designer ein Ju- gendlicher ist. Man hat einen der Dealer geschnappt, der gestand, woher er die präparierte Hefe bekommen
hatte, und man beschattete die betreffende Person. Der Beamte, der mit der Beschattung beauftragt war, kam
zurück und schwur, der Junge sei der netteste Kerl, dem
er je begegnet sei, und er könne unmöglich das getan haben, was ihm zur Last gelegt würde; ein paar Tage später quittierte er den Dienst beim FBI. Das gleiche passierte beim zweitenmal und beim dritten, und an diesem Punkt kam der örtliche Chef zu dem Schluß, daß er offenbar auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Doch
weiterhin tauchten die Drogen auf. Jemand muß dahin-
terstecken; weitere Dealer sind geschnappt worden, und immer mehr von ihnen behaupten zu wissen, daß der Designer ein minderjähriger Jugendlicher sei.«
Peters Herz pochte wie wild. Mit plötzlich ausge- trocknetem Mund sagte er: »Vielleicht hätte ich lieber
fragen sollen, welche Kriterien Sie für die Auswahl zu- grunde gelegt haben, anstatt für den Ausschluß.«
Claudia zählte mit jeweils einem ausgestreckten Fin- ger auf. »Ein größeres Verbrechen — begangen von ei- nem Kind —, das straffrei ausging. Das ist der wich-
tigste Gesichtspunkt: das straffreie Ausgehen.«
»Kind bedeutet...?«
»Wie sich herausstellte: etwa zwölf oder dreizehn Jahre alt.«
Peter pfiff durch die Zähne. »Und Sie sprechen wirk- lich von größeren Verbrechen?«
Sie drehte sich ruckartig um und sah ihn eindringlich an. »Haben Sie eine Ahnung, wieviel Patienten in Ame- rika in
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