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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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zusammengetragen hatte, sah folgendermaßen aus: Nach fünfjähriger Ehe war ih-
ren Eltern immer noch kein Kind beschieden gewesen, und beide wollten mindestens eins. Laut Cynthia —
aber wer hätte sagen können, ob diese Behauptung stimmte — war ihr Mann, dessen Name Victor war, überzeugt davon, daß die Schuld bei ihr lag, jedenfalls vertrat er diese Meinung mit aller Heftigkeit. Nachdem
er einmal den Bogen überspannt hatte, beschloß sie, es herauszufinden. Und siehe da, es war nicht ihre Schuld.
    Er mußte es in Wirklichkeit die ganze Zeit über ge- wußt haben, denn nachdem sie schwanger geworden
war, beschimpfte er sie als läufige Hündin und Hure und marschierte davon, um nie wieder aufgestöbert zu
werden — was im modernen computerverwalteten
Großbritannien eine wahre Leistung war.
    Daher also die heruntergekommene Sozialwohnung. Daher das Angewiesensein auf jämmerliche soziale Un- terstützungen, Secondhand-Klamotten vom Trödler und — in zunehmendem Maße — die Abhängigkeit von der Flasche. Einmal, so hatte Pepita den Verdacht, hatte das Jugendamt gedroht, sie ihrer Mutter wegzunehmen,
und während einer gewissen Zeit, die ausgereicht hatte, um die Behörde zufriedenzustellen, hatte ihre Mutter sich am Riemen gerissen. Jetzt scherte sich natürlich
niemand mehr darum. Jede zweite Woche jammerten Regierungssprecher in den Zeitungen oder im Fernse- hen darüber, was es kostete, Kinder in Heimen unterzu-
     
    bringen, wobei sie ihre wahre Einstellung hinter einer humanitären Fassade verbargen und scheinheilig von den >Banden des Blutes< und die einzigartige Liebe und Zuneigung, die nur die leiblichen Eltern aufbringen konnten, predigten ...
    Diese Bande von miesen alten Drecksäcken!
    Das Tonband war durchgelaufen und fing mit der er- sten Seite wieder an. Sie streckte einen schlaffen Arm aus, um die Kassette gegen eine andere ihrer Neuerwer- bungen auszuwechseln. Bevor sie den Knopf drückte,
um sie laufen zu lassen, wurde sie von einem plötzli- chen Schauder gepackt. Es würde noch so wahnsinnig
lange dauern, bis sie nach dem Gesetz endlich auszie- hen dürfte! Sie mußte dafür sechzehn Jahre alt sein und aus der Schule entlassen, die sie pflichtschuldig besuch- te — und wo sie als erstklassige Schülerin angesehen war, denn sie hatte einen wachen Geist. Ein Ausdruck,
der auf sie häufig angewendet wurde, lautete >einfühl- sam<. Manchmal bekundeten ihre Lehrer ihre Überra- schung darüber, wie gut sie damit zurechtkam, in fast allen Lebensbereichen als Stellvertreterin ihrer Mutter
zu handeln.
    Na ja, das war die leichteste Übung ...
    Doch manchmal, so wie jetzt, war sie in Versuchung,
einfach wegzulaufen. Doch wie lange könnte sie überle-
ben, wenn sie es wirklich täte? Sie faßte im stillen einen Entschluß. Sie mußte noch mehr mit ihrer Aura üben, mußte herausfinden, wann die Zeit war, zu der sie sie am wirkungsvollsten einsetzen konnte, und außerdem dahinterkommen, ob sie sie noch besser anwenden konnte bei Leuten, die nicht so zerstreut und überlastet
wie Verkäuferinnen waren. Zum Beispiel könnte sie es mal mit einem Polizisten versuchen und jemandem vom Sozialamt — und wenn sie schon dabei war, warum nicht in einem Postamt oder sogar einer Bank?
    Ein schwindelerregendes Bild von einer knackig-neu- en Fünfzigpfundnote überwältigte sie einen Moment
    lang. Doch nach einer Weile ließ sie sich mit einem Seuf- zer aufs Bett zurücksinken.
    Nein, besser nicht. Wenigstens hatte sie im jetzigen Zustand eine gewisse Beherrschung über ihr Leben. Dennoch empfand sie eine unterschwellige Scham über ihr Zögern, sich zu befreien.
    »Weißt du was, Peppy?« sagte sie laut zu sich selbst. »Genau betrachtet, bist du ein mieser Feigling, findest du nicht?«
    Und nachdem sie sich resigniert mit dieser Tatsache abgefunden hatte, ließ sie das neue Band laufen und schloß die Augen.
    Hier ist der Sender TV-Plus. Zeit für die Nachrichten.
    Der Ursprung der blauen Farbe, die dazu geführt hatte, daß in Yorkshire in der letzten Woche mehrere tausend Liter Milch vernichtet werden mußten, ist entdeckt worden. Ein Bauer hatte dem normalen Futter, das er seinen Kühen gab,
einen Anteil mit Kartoffelchips mit abgelaufenem Verfallsda-
tum, die er von einem Supermarkt seines Ortes erstanden hat-
te, beigemengt, ohne die blauen Salztütchen zu entfernen. Ein
Sprecher des Bezirksveterinäramtes sagte, daß die Kühe das
Schlimmste überstanden hätten, erklärte jedoch, daß in Anbe-

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