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Kinder des Donners

Kinder des Donners

Titel: Kinder des Donners Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Brunner
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Ganze auf eine Summe von etwas über sechsundvierzig Pfund. Pepita reichte dem Mädchen drei Zwanzigpfundnoten. Sie be- kam ihr Wechselgeld heraus. Pepita blieb mit erwarten- der Miene stehen.
    »Oh, Entschuldigung«, sagte das Mädchen nach ei- nem Moment und reichte ihr die Zwanziger zurück. Pe- pita schenkte ihr ein strahlendes Lächeln und ging da- von.
    In diesem Supermarkt gab es einen ungewöhnlich häufigen Wechsel beim Personal. Pepita fragte sich
    manchmal, ob sie vielleicht irgend etwas damit zu tun hatte.
    Ihre Rechnung an der Theke der Drogerie belief sich auf sieben Pfund und noch was. Sie gab einen Zwanziger und bekam denselben Schein plus einigem Wechselgeld wieder. Die Dinge liefen nicht ganz so glatt, als sie ihren wöchentlichen Bedarf an Strumpfhosen und etwas neue
Unterwäsche kaufte, denn der Laden war ziemlich leer
und die Verkäuferin nicht so leicht durcheinanderzu- bringen, doch immerhin bekam sie einen Zehner mehr heraus, als ihr zugestanden hätte. Da sie ihre Aura nicht überstrapazieren wollte, beschloß sie, nur noch einen wei- teren Laden zu besuchen, um ein paar Kassetten von ih- rer Lieblingsgruppe zu erstehen, und dann nach Hause zu gehen.
    Und dort würde der Rest ihrer Aura aufgebracht wer- den, und zwar im Zusammenhang mit ihrer Mutter. Cynthia Hallam war heute in einem fürchterlichen Zu- stand ...
    Aber das war sie eigentlich immer.
    Sie und Pepita wohnten in einem Block mit Sozial- wohnungen, wo der Aufzug andauernd kaputt war,
umgeben von etwas, das als Grünanlagen und Spiel- plätze gedacht war und sich statt dessen in einen riesi- gen Müllplatz verwandelt hatte. Es war ein rauhes Vier- tel, in dem ständig unterdrückte Gewalt schwelte —
nicht, daß das Pepita sehr gestört hätte, denn sie hatte einige Tricks raus, um damit fertigzuwerden. Zu diesem Zweck hatte sie sich einen großen, muskulösen Freund angeschafft, der so bedrohlich wirkte, daß sie unter kei- nerlei unerwünschter Aufmerksamkeit zu leiden hatte. Er hieß Kevin und war siebzehn Jahre alt. Sie empfand
nichts als Verachtung für ihn, doch sie hatte ihn gut er-
zogen. Am Abend, wenn er sie in eine Disco ausführte, pflegte er sie wie ein Wachhund zu beaufsichtigen, und wenn er mit ihr bis an ihre Wohnungstür gehen durfte
    und einen Klaps auf die Backe bekam, war er zufrieden
— obwohl er hinterher bestimmt verwirrt war, weil er nach allem, das er für sie getan hatte, so wenig als Ge-
genleistung dafür bekam.
    Heute funktionierten die Aufzüge, was eine Wohltat
war, denn sie hatte keine Ahnung, wo Kevin in diesem
Moment war, und es hätte ihr nicht sehr behagt, ihre
Einkäufe die Treppe hinaufzutragen. In der Wohnung
herrschte natürlich totale Unordnung, abgesehen von ihrem persönlichen Zimmer, das sie peinlich sauber hielt, aber so war es nun mal. Auch ihre Mutter war in totaler Unordnung — sie saß mit hängendem Gesicht und einem fleckigen Morgenmantel herum, mit rotge- äderten Augen und mürrischer Miene. Sie sprach kein Wort, bevor sie sich die Zigaretten geschnappt, eine an- gezündet, einen Zahnputzbecher voll Wodka einge- schenkt und halb ausgetrunken hatte.
    Schließlich sagte sie mit dumpfer Stimme: »Zeig mir, was du mitgebracht hast.«
    Pepita gehorchte und verstaute ihre Errungenschaf-
ten nach und nach im Küchenschrank.
    »Na ja, das muß reichen«, brummte ihre Mutter halb- wegs zufrieden und wandte sich wieder ihrem Glas zu.
Hinter ihrem Rücken schnitt Pepita eine Grimasse, die besagen sollte:
    Du hättest es nicht ein Zehntel so gut gemacht!
    Und das stimmte. Hätte es irgend jemand im entfern- testen so gut gemacht?
    Ein wenig später, als sie auf ihrem Bett ausgestreckt lag und ihre neuesten Kassetten anhörte — ihr Gerät war zwar eine Secondhand-Erwerbung, doch es war eine teure Marke, und sie sah sich sehr damit vor —, be- schäftigte sie diese Frage unablässig, wie es schon so oft in der Vergangenheit der Fall gewesen war.
    Konnte überhaupt irgend jemand das tun, was sie seit
einigen Jahren machte? Nicht immer, nur zu den Zeiten,
    in denen die Aura am stärksten war ... doch was sie an
Tagen wie dem heutigen alles erreichte, erstaunte sie.
    Zum wer weiß wievielten Mal dachte sie über das nach, was sie über ihre Herkunft wußte. Sie hatte sich dieses Wissen mühsam erworben, Bruchstück für Bruchstück, wenn ihre Mutter in einer besonders selbst-
mitleidigen Stimmung war.
    Und natürlich betrunken, doch das bedurfte keiner
Erwähnung.
    Das Mosaik, das sie sich

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