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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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indem sie jagte oder bei Bauern schuftete wie ein Mann. Dass sie sich zwar immer der vielen Tücken gewiss war, die ein rauer Alltag mit sich bringt, aber trotzdem die tröstliche Zuversicht vermittelte, sämtliche Hindernisse überwinden zu können. Dass ihr – selbst als Krankheit und Auszehrung sie schwächten – das Lächeln leichtfiel, sobald ihr Blick auf ihm ruhte. Noch als sie am Fieber litt, das ihr den Tod brachte und schwächliche Gemüter verzagt gestimmt hätte, zuckte sie gleichgültig die Schultern und hielt eisern daran fest, dass ihr Leben ein glückliches gewesen war. »Ich habe meine Heimat im Norden verloren, aber hier eine neue gefunden«, hatte sie gesagt, »ich habe keine eigenen Kinder geboren, aber dich wie einen Sohn geliebt. Ich habe getötet, aber darf selbst friedlich in einem Bett sterben. Ich habe hungrige Tage durchstanden und eisig kalte, aber jetzt … jetzt ist mir warm. Untersteh dich zu weinen und freu dich, dass ich so alt werden durfte! Ich hatte ein gutes Leben – trotz allem.«
    Ja, Runa war eine Meisterin des »Trotz allem« gewesen, und es verhieß Trost, sich ihr Gesicht auszumalen, ihrer Entschlossenheit nachzuspüren und sich dessen zu besinnen, was er von ihr gelernt hatte, lange bevor Taurin, sein Ziehvater und ein ehemaliger Mönch, sich um seine Erziehung gekümmert und ihn zu einem guten Christenmenschen gemacht hatte. Immer hatte Arvid gedacht, dass das Wissen, das Taurin ihm vermittelt hatte – zu lesen und zu schreiben, zu beten und Latein zu übersetzen – wertvoller war und er auf die von Runa erlernten Fähigkeiten gut verzichten konnte, doch jetzt brachten sie ihm ungleich mehr Nutzen.
    Er hatte von Runa gelernt, wie man Käse machte, wie man Fleisch auf Spießen briet und wie man Ziegenmilch zu Skyr, einer Art Dickmilch, verarbeitete. Auch, wie man auf heißem Stein dünne Fladen buk, wie man Fisch räucherte und aus der Rinde von Birken einen Brotteig kneten konnte.
    Hier im Wald gab es weder Milch noch Mehl noch Fische noch Ziegen, nicht einmal Birken wuchsen. Aber dank Runa wusste er, dass man auch im tiefsten Schatten der Bäume Nahrung finden konnte, gerade jetzt im Herbst: Hagebutten, Blau- und Preiselbeeren, Pilze und Nüsse, sogar Honig und Äpfel, die im Winter das Pökelfleisch ergänzten.
    Von Mathilda gefolgt kämpfte er sich weiter durchs Dickicht, bis sie eine winzige Lichtung erreicht hatten, gerade groß genug, um aufrecht stehen zu können.
    »Ich gehe etwas zu essen suchen – du machst Feuer«, befahl er.
    Sie blickte ihn entsetzt an. »Wie soll ich das tun? Wir haben doch keinen Feuerstein!«
    Er schnaubte, so wie wohl auch Runa geschnaubt hätte. Schweigend schichtete er Steine, trockenes Laub und Ästchen aufeinander und erklärte ihr, wie man wieder und wieder Holzstäbchen an einem Stein rieb, um Funken zu erzeugen. Sie hörte zu, wohl weniger aus Hoffnung auf Wärme, sondern weil sie zu müde war, Fragen zu stellen. Während sie sich vergebens mühte und der ersehnte Rauch nicht aufsteigen wollte, riss er Fäden und kleinere Stofffetzen aus seiner Kutte und suchte weitere Steine.
    »Was machst du damit?«
    »Eine Steinschleuder. Um Tiere zu jagen.«
    Mathilda starrte Arvid verständnislos an. Wahrscheinlich hatte sie schon Wild gegessen, das die Pächter der Ländereien dem Kloster übergaben, aber sich nie gefragt, wie man dieses Wild erjagte. Er hatte keine Muße, es ihr zu erklären, zeigte ihr nur, wie man das Holzstäbchen schneller rieb, und verschwand dann rasch zwischen den Bäumen. So auf ihre Aufgabe konzentriert vergaß sie selbst, ihn anzuflehen, sie nicht allein zu lassen. Arvid hingegen wurde bei jedem Schritt unbehaglicher zumute. Er war nicht sicher, ob er je wieder zu Mathilda zurückfinden würde, und noch weniger, ob er je wieder dem Wald entkommen könnte. Aber zu überleben hieß nicht nur, in kleinen Schritten zu denken, sondern manchmal auch, den Verstand ganz und gar auszuschalten und allein auf den Instinkt zu setzen, und das tat er nun. Er verbat sich jeden Gedanken.
    Es war eine ganze Weile vergangen, ehe Arvid zur Lichtung zurückkehrte. Mathilda hatte es nicht geschafft, Feuer zu machen. Verzagt und mit Blasen an den Händen hockte sie vor dem Haufen Holz und Steine.
    »Gott, warum bringst du nichts zustande?«, herrschte er sie an.
    Die Wut herauszulassen machte es ihm leichter, das eigene Versagen zu ertragen. Er hatte nichts Nahrhaftes gefunden, alle Hasen waren ihm entwischt, seine einzige Beute

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